FAiR – der Name ist Programm

14.10.2024
News
© Annemone Taake

FAiR steht für Female Artist in Residence und bezeichnet ein Förderprogramm für Nachwuchskünstlerinnen auf dem Weg zu Universitätsprofessorinnen. Es wurde kürzlich an der Universität Mozarteum ins Leben gerufen und setzt sich für mehr Fairness und Chancengleichheit im Berufsleben von Frauen an Musik- und Kunstuniversitäten ein. 

„Unterrichten war immer ein wichtiger Teil meiner Identität als Künstlerin, und ich hatte die großartige Möglichkeit, im Rahmen des Mathilde-Planck-Programms zur Frauenförderung bereits als junge Liedpianistin an der Hochschule für Musik Freiburg Liedduos zu unterrichten. Von dieser wichtigen Erfahrung habe ich 2017 beim Hearing für die Professur für Liedgestaltung an der Universität Mozarteum Salzburg sicher sehr profitiert“, erinnert sich Univ.-Prof.in Pauliina Tukiainen, eine der ganz wenigen Pianistinnen mit Professur für Liedgestaltung weltweit. „Allein diese Situation ist für mich eine große Motivation, Veränderungen zu bewirken“, fährt die gebürtige Finnin fort, in deren Heimat Gleichstellungsagenden bzw. Frauen in Führungspositionen und hohen beruflichen Karrierestufen viel selbstverständlicher sind als in unseren Breitengraden. „Auf ähnliche Förderprogramme für Nachwuchskünstlerinnen angesprochen, zeigte sich Rektorin Elisabeth Gutjahr sofort begeistert: ‚Noch nicht, aber das sollten wir tun!‘ So habe ich gemeinsam mit Iris Mangeng und Christoph Lepschy das Female-Artist-in-Residence-Programm für die Universität Mozarteum entwickelt – das natürlich mit dem Fach Liedgestaltung beginnen wird“, freut sich die Leiterin des neuen FAiR-Programms.

Dieses Programm stellt eine österreichweit neue langfristige Maßnahme dar, die dem fachspezifischen Ungleichgewicht bei der Verteilung künstlerischer Professuren entgegenwirkt, indem es herausragenden Nachwuchskünstlerinnen Möglichkeiten eröffnet, deren Kompetenzen hinsichtlich zukünftiger Professurbewerbungen gezielt zu erweitern. Die Residence-Stellen werden jeweils von wechselnden künstlerischen Departments der Universität Mozarteum getragen, vorrangig von jenen Fachbereichen, in denen es noch kaum Frauen in der Professor:innenkurie gibt. Die durch einen Bewerbungsprozess ausgewählten internationalen Residenz-Inhaberinnen können dann ein Semester lang universitäre Lehrerfahrung sammeln, künstlerische Projekte mit Studierenden verwirklichen, universitäre Strukturen kennenlernen sowie Mentoring- und Weiterbildungsangebote wahrnehmen, um Strategien für die Karriereplanung zu entwickeln und sich in Selbstmanagement und Selbstmarketing weiterzubilden.
„Um sich für Professuren oder auch feste Stellen für Liedgestaltung zu bewerben, ist Unterrichtserfahrung an einer Hochschule meist Pflichtvoraussetzung. Leider kann man diese Erfahrung als Liedpianist:in kaum sammeln, weil es solche Möglichkeiten selten an Hochschulen gibt. Dass durch FAiR genau das unterstützt wird, ist großartig“, hebt Rebeka Stojkoska, die erste Female Artist in Residence an der Universität Mozarteum, die persönliche Bedeutung des Programms hervor und ergänzt: „Die Residenz an einer so renommierten Universität für Musik und Kunst ist für mich ein großer Erfolg und ein sehr wichtiger Schritt in meine Berufslaufbahn. Hier kann ich enorm wertvolle Erfahrungen und Einblicke sammeln, die mir bei zukünftigen Bewerbungen und Präsentationen zugutekommen werden. Darüber hinaus kann ich mein Netzwerk ausbauen, mit dem ich mich auch nach der Residency weiterhin austauschen kann.“

Die Notwendigkeit fachspezifischer Förderprogramme für Nachwuchskünstlerinnen ergibt sich aus einer bereits jahrzehntelang anhaltenden Schieflage: An der Universität Mozarteum wie auch an vielen anderen Musik- und Kunstuniversitäten bzw. -hochschulen Europas sind Frauen in gewissen künstlerischen Fächern wie Dirigieren, Blechblasinstrumente und Schlagwerk bereits auf Ebene der Studierenden deutlich unterrepräsentiert. Dieses Ungleichgewicht findet seine Fortsetzung im Bereich der universitären Stellenbesetzungen, vor allem bei ordentlichen Professuren. „Die Gründe hierfür sind vielfältig und komplex: Mit Studien belegt ist u. a. die Tatsache, dass Frauen sich zurückhaltender auf hohe Anstellungen bewerben als männliche Kollegen und die Vereinbarkeit von Familie und Professur oft angezweifelt wird. Selbst bei paritätischer Bewerber:innenlage in einem Berufungsverfahren, können dann auch immer noch (unbewusste) geschlechtsspezifische Vorurteile und veraltete gesellschaftliche Karrierevorstellungen eine ausschlaggebende Rolle für eine männliche Stellenbesetzung spielen. Damit es in Zukunft mehr Professorinnen nicht nur in speziellen künstlerischen Fächern, sondern generell gibt, ist also ein Struktur- und Kultur- bzw. Bewusstseinswandel nötig“, bringt Iris Mangeng, stellvertretende Leiterin des Instituts für Gleichstellung und Gender Studies an der Universität Mozarteum, die Situation auf den Punkt. Senatsvorsitzender und weiteres FAiR-Teammitglied Christoph Lepschy unterstreicht die Notwendigkeit des Programms: „FAIR ist ein ebenso ermutigendes wie notwendiges, ja überfälliges Programm zur Förderung von Frauen im Hochschulkontext. Denn ungeachtet jahrzehntelanger Debatten um die Benachteiligung von Frauen (selbstverständlich nicht nur) im Kulturbetrieb, trotz zahlreicher Maßnahmen und Vorgaben zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen sind wir noch weit von der Geschlechtergerechtigkeit entfernt. Im Gegenteil ist leider gerade in jüngerer Zeit und mit dem (Wieder-)Erstarken von rechtsextremen Parteien eine weitere Affirmation patriarchaler Strukturen zu beobachten. Insofern wünsche ich mir, dass FAiR an der Universität Mozarteum wächst und gedeiht und viele Nachahmer:innen findet.“

Dringend notwendige kultur- und gesellschaftspolitische Veränderungen soll nicht nur das FaiR-Programm selbst bewirken, sondern auch das von der Residence-Inhaberin Rebeka Stojkoska geplante Projekt „Seht ihr Gefahr, so eilt!“ mit Sänger:innen und Pianist:innen der Universität Mozarteum. Ausgehend vom Bestreben, mit Musik zur Demokratiebildung beizutragen, sowie der Prämisse, dass ein Bewusstsein für die Vergangenheit unerlässlich für die Identitätsbildung, Perspektivenfindung und Handlungsbereitschaft des Menschen in der Gegenwart und Zukunft ist, konzipiert Rebeka Stojkoska ein vielschichtiges Konzertprogramm, das sich der Rolle und Bedeutung des Liedes in der Demokratiebildung widmet und eine Brücke zwischen historischen und aktuellen gesellschaftspolitischen Ereignissen schlägt.

 

(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 12.10.2024)

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