Geteilt durch sieben

03.12.2022
News
Sechs Studierende in einem Arbeitsraum, Staffeleien, Malereien, am Boden Plakate mit der Aufschrift "sieben" | © Christian Schneider

Ein Mal jährlich sind Studierende der Bildnerischen Erziehung dazu eingeladen, den Großen Saal des Salzburger Künstlerhauses zu bespielen. Diese enge Beziehung zwischen einem Kunstverein und Studierenden in der Experimentierphase ist österreichweit einzigartig – und eine Herausforderung für die Studierenden.

Ihr seid bereits in der letzten Phase eures Studiums der Bildnerischen Erziehung (Lehramt) an der Universität Mozarteum. Was bedeutet es für euch, im Salzburger Kunstverein auszustellen?

Die Kooperation zwischen der Universität Mozarteum und dem Salzburger Kunstverein besteht schon sehr lange und ist definitiv etwas Besonders, das den Standort der Bildnerischen Erziehung in Salzburg auszeichnet. Denn keinesfalls ist es selbstverständlich, als Student*in in einem Kunstverein 200 Quadratmeter bespielen zu können. Zumal hier ja auch international sehr erfolgreiche Künstler*innen vertreten sind. Dafür sind wir natürlich sehr dankbar und lernen noch einmal eine ganze Menge – über uns selbst, über unsere künstlerischen Positionen, den Prozess des Ausstellens und alles, was eben dazu gehört. Hinzu kommt, dass wir eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus verschiedenen Disziplinen und Diskursräumen sind, die von ihren jeweiligen Professor*innen für die Ausstellung im Kunstverein vorgeschlagen wurden, uns erst einmal kennenlernen und arrangieren mussten. Und dass wir dafür keine ECTS-Punkte bekommen. Das heißt, dass wir das Projekt on top zum Studium und zur Arbeit umsetzen.

 

Wie beginnt man mit der Planung einer gemeinsamen Ausstellung auf 200 Quadratmetern?

Pragmatischerweise haben wir mit dem Titel begonnen, da wir ein Plakat machen wollten, für das wir Fakten brauchten. Damit einher ging natürlich die Frage, ob wir etwas Gemeinsames oder eine Ausstellung aus sieben künstlerischen Einzelpositionen machen wollen. Daraus entstand schließlich der Titel „:sieben“, da der geteilte Raum, die Verteilung, in gewisser Weise der kleinste gemeinsame Nenner war. Das Prinzip des Teilens ist dem Projekt aber nicht nur räumlich, sondern ganz generell immanent. Wir teilen den gesamten Prozess miteinander, unsere gemeinsamen Entscheidungen, materielle wie kognitive Ressourcen und Know-how. Und auch wenn es oft persönlicher Kompromisse bedarf und es zwischenmenschlich durchaus fordernd sein kann, hat man in der Gruppe sehr viel mehr Möglichkeiten als solo. Allein schon deshalb, weil andere Menschen andere Fähigkeiten mitbringen als man selbst. In unserem Fall haben wir Expertisen in Fotografie und Neuen Medien, Zeichnung und Grafik, Malerei und Bildhauerei sowie individuelle persönliche Stärken – die eine ist besser im Organisieren, dem anderen liegt es mehr, zu kommunizieren. Zudem stellen wir nichts aus, das nur eine Person von sieben gut findet. Sprich, die Arbeiten werden immer aus mindestens sechs weiteren Blickwinkeln betrachtet, mit den Filtern und Korrektiven der anderen. Dieses externe Feedback lässt einen über die eigene Arbeit neu reflektieren. Jeder und jede Einzelne kann sich somit ein Stück weit sicherer sein, dass die Arbeiten beim Publikum „ankommen“.

Diese gemeinschaftliche, fast kollektive Herangehensweise unterscheidet unsere Universität auch von anderen Kunstuniversitäten – das erfahren wir immer wieder in Gesprächen mit Kolleg*innen. Meistens gibt es anderswo einfach die künstlerischen Klassen, in denen man sich in seiner Disziplin behaupten muss. Bei uns ist es durchaus immer wieder so, dass wir miteinander über unsere Arbeiten sprechen. Das liegt vermutlich auch am pädagogischen Anteil unseres Studiums. Dadurch, dass das Pädagogische und die eigene künstlerische Praxis in gleichem Maße wertgeschätzt werden, kann man sich seine Persönlichkeit hier wunderbar selber formen.

 

Hilft euch das Projekt auch für eure spätere Arbeit als Pädagog*innen?

Die gemeinsame Konzeption und Organisation dieser Ausstellung wird uns ganz sicher dabei helfen, zukünftigen Schüler*innen ein Gefühl dafür zu vermitteln, was alles möglich ist – dass Bildnerische Erziehung mehr als „nur“ Bildnerische Erziehung sein kann. Generell bekommen wir im Studium ein umfassendes Skillset vermittelt, das ganz unterschiedlich eingesetzt werden kann und womit sich jeder und jede seinen oder ihren ganz persönlichen Weg ebnen kann. Durch das viele konzeptionelle Arbeiten erweitert es zum einen die eigene Vorstellungskraft und Imagination, zudem entwickelt man durch das unmittelbare Umsetzen von Ideen in den Werkstätten und Ateliers, durch die Konzeption von Ausstellungen gleich auch Vorstellung davon mit, welche Gedanken sich mit welchen Mitteln auch tatsächlich realisieren lassen. Im Rahmen der Ausstellung im Kunstverein steht die eigene Arbeit plötzlich neben 1.000 anderen Dingen.

Letztlich geht es im Studium sowie jetzt im Kunstverein auch sehr viel darum, sich im privaten wie beruflichen Kontext auf kreative Weise zurechtzufinden und in der Lage zu sein, auf bestimmte Situationen zu reagieren und zu improvisieren. In unserem Fall haben wir in Modellen natürlich eine genaue Vorstellung davon entwickelt, wie wir unser Vorhaben im Großen Saal umsetzen werden, doch vielleicht wird das in der Praxis so gar nicht funktionieren – und dann müssen wir uns ad hoc etwas anderes überlegen. Eben mit den Mitteln und Denkweisen, die uns zur Verfügung stehen und in den eineinhalb Tagen, die wir für den Aufbau vor Ort Zeit haben. (lachen)

 

SN: Die Universität Mozarteum gehört zu den führenden Ausbildungsstätten für künstlerisches Lehramt in Österreich. Wie geht es euch mit der aktuellen Diskussion um die Bekämpfung des Mangels an Lehrer*innen und eine Verkürzung des Bachelorstudiums auf drei Jahre?

Keinesfalls möchten wir uns hier rausnehmen, für eine gesamte Studierendenschaft zu sprechen. Das Studienfach, das uns verbindet, ist die Bildnerisch Erziehung, wofür uns die Dauer und Intensität überaus wichtig erscheinen. Bis zum Beruf ist es ein enormer Lernprozess mit der Pädagogik auf der einen und der Kunstpraxis auf der anderen Seite, hinzu kommt noch die Vermittlung. Dazu gehört es auch, pädagogische, künstlerische und politische Haltungen zu entwickeln, zumal Lehrende eine sehr, sehr wichtige Aufgabe haben, nämlich unsere Kinder zu bilden. Insofern wären wir froh, wenn weniger über eine Verkürzung von Studiendauern, dafür aber mehr über den Stellenwert von Lehrenden gesprochen werden würde. Den Stand des Lehramtsstudiums zu festigen, ihn ins richtige Licht zu rücken würde uns wesentlich sinnvoller erscheinen. Jedenfalls macht die Diskussion um eine Verkürzung der Studiendauer das Ansehen der Lehramtsstudien in der Gesellschaft nicht besser, sondern schlechter. Unabhängig davon, dass die Qualität der Ausbildung darunter leiden würde. Bei einem Mangel an Ärzt*innen kommen wir schließlich auch nicht auf die Idee, das Medizinstudium zu kürzen. Pädagog*innen sind systemerhaltend, sie formen und gestalten die Gesellschaft von morgen – das sollte uns etwas wert sein. Tatsächlich helfen würde es, für Erleichterungen im Studienplan zu sorgen. Z.B. dass das er so aufgebaut ist, dass ein Praktikum während des Studiums tatsächlich realisierbar ist. Und insgesamt darauf zu schauen, dass man an Universitäten Lehrpersonen ausbildet, denen man die eigenen Kinder gerne anvertraut.

:sieben
Vernissage: 7. Dezember 2022, 18.00 Uhr
Ausstellung: 8.–11. Dezember 2022
Öffnungszeiten: Di–So von 12.00-19.00 Uhr
Salzburger Kunstverein, Großer Saal
Hellbrunner Straße 3
5020 Salzburg

Mit Arbeiten von Alba Malika Belhadj Merzoug, Kevin Klinger, Linda Kudla, Elena Lengauer, Valerie Luise Magnus, Eva-Maria Schitter und Lea Daniela Wiednig

 

(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 3. Dezember 2022)

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