Kontrollierter Kontrollverlust

11.06.2022
Studierendenprojekt
Lachende Studierende | © Fabian Schober

Mit dem Projekt „With Dylan On The Road“ bietet die Universität Mozarteum gemeinsam mit The International Society of Mozarteum University Salzburg Studierenden die einzigartige Gelegenheit, sich mit einem Stipendium im Gepäck auf Reisen zu begeben, um von Bob Dylan inspirierte Kunstprojekte zu entwickeln.

With Dylan On The Road
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Wir sehen die Projekte als produktive, vollständig gegangene Umwege. Ganz nach Dylan: What‘s life without the occasional detour?

— Eugen Banauch

Südafrika, USA, Mexico, Lateinamerika, Europa: Die Reiseziele der Studierenden, die sich im Sommer für ein bis drei Monate in Zweierteams auf Reisen begeben, sind so vielfältig wie die interdisziplinären künstlerischen Vorhaben. Was entsteht, wenn man sich Bob Dylan aus der Perspektive einer Kunstuniversität heraus nähert? Diese Frage stellten sich Eugen Banauch und Thomas Ballhausen vom Forschungsmanagement der Universität Mozarteum. „Studierende wurden aufgrund der Pandemie um die Möglichkeit gebracht, Erfahrungen zu machen, raus zu gehen. Dem wollten wir etwas entgegensetzen. Bob Dylan ist Zeit seines Lebens unterwegs, das bedeutet eine Verankerung in der ‚Schule des Lebens‘, im Unterwegs-Sein. Diesen Moment des Hinausgehens und „In der-der-Weltseins, dieses Öffnen braucht es wieder“, erzählt Eugen Banauch von der Intention von „With Dylan On The Road“. Das Projekt lädt Studierende ein, „Universität“ neu zu denken und sich mit dem Polyartisten Bob Dylan in einen Diskurs des künstlerischen Forschens, Lernens und Tuns zu begeben – außerhalb ihrer Komfortzonen.  Für die Antragstellung gab es Vorgaben zu einer begrenzten Reisedauer, zur Form der Projekteinreichung sowie eine Einladung zu einer disziplinübergreifenden Idee. Der Rest: offen.

„Es war extrem schön zu sehen, was an Vorschlägen kam, aus dem ‚sicheren‘ Raum der Universität heraus. Die Studierenden haben wirklich Lust, hinauszugehen, etwas zu machen, das sie ernst meinen und in der Wirklichkeit umsetzen möchten. Wir erkennen hier eine mutige Lebendigkeit, die man sich insbesondere für eine Kunstuniversität wünscht“, unterstreicht Thomas Ballhausen. „With Dylan On The Road“ legt wenige Spieleregeln fest, die viel ermöglichen und nicht beschränken. Die Studierenden organisieren sich selbstständig und mit großer Bereitschaft zur Interdisziplinarität. Ein Projekt, das von Anfang an über die Praxisidee hinausgeht, in Richtung einer neuen, innovativen ArtStudium zu begreifen: ein ‚study on the road‘. Virtuell begleitet wird jedes Team von „Dylan-Buddys“, die während der Projektdauer als Ansprechpartner fungieren. Sie kommen aus den Bereichen Wissenschaft, Journalismus, Philosophie, Forschung und Kunst, allen gemein ist nicht nur ein starker Bezug zu Bob Dylan, sondern auch die Freude und Bereitschaft, für das Projekt sehr großzügig mit ihrer Zeit umzugehen. Ein Umgang, der sich auch zu den Studierenden übersetzt. Banauch: „Leben entzündet sich am Leben und Begeisterung an Begeisterung. Die Übernahme an Aufgaben am Projekt, das Bewältigen von bürokratischen Schwierigkeiten und die Planung funktioniert ausgesprochen gut und ohne Mühe. Was hier entsteht, ist ein großangelegter Rahmen für künstlerische Projekte, die Dylan als Oszillationspunkt nehmen und von dem aus sich Dinge weiterentwickeln.“ Während den Reisen unterstützen Thomas Ballhausen und Eugen Banauch die Teams mit Zoom-Calls, geplanten Besuchen der Teams in Europa und sie bleiben via Zwischenberichten der Studierenden auf dem Laufenden. Auch die monetäre Sicherheit ist gegeben: Im Rahmen einer Projektpräsentation stellten die Teams ihre Vorhaben Vertreter*innen der der Internationale Society of Mozarteum University Salzburg vor, deren finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt worden war. Verbindlich zugesagt wurde sie schließlich durch die Qualität der intersubjektiv nachvollziehbaren Präsentationen der Studierenden – sie überzeugten mit kreativ-künstlerischer Enthusiasmus und individuellen, eigenwilligen Projekten. Banauch: „Es ist guter, kontrollierter Kontrollverlust (lacht). Die Themen rund um Dylan, die Literarizität, die verschiedenen Identitäten – die wären ja nicht neu. Aber dass wir Dylan dazu verwenden, um Kunst neu entstehen zu lassen, das ist ein Novum.“

Die Ergebnisse der Dylan-Projekte werden im Oktober im Rahmen von Jazz & The City präsentiert, ein Surplus für die Studierenden. Sie erhalten eine Öffentlichkeit, die einmal mehr Lebensrealität erfahren lässt. Thomas Ballhausen sieht die Erfahrungen aus der Lehre bestätigt: „Gib den Leuten wenige Regeln, viel Vertrauen und eine reizvolle Herausforderung mit hohem Freiheitsgrad, dann kommen sie in ein kreatives Tun. Deshalb möchten wir diese Art von Projekten auch curricular stärken und sie dem klassischen Lehrplan hinzufügen, ganz im Sinne des Medienpädagogen Dieter Baacke: ‚In legerer Haltung‘. Das heißt nicht, dass es weniger ernsthaft ist. Es ist auf eine andere Weise ernst genommen und ernsthaft. Gerade aus der Logik einer Kunstuniversität heraus. Ein Ansatz des breiteren interdisziplinären ko-kreationellen Arbeitens.“ Banauch ergänzt: „Und eine gewisse Lockerheit, um über curriculare Vorgaben hinauszugehen und auf diese Weise tatsächlich ‚Universität‘ neu zu denken. Wir sehen die Projekte als produktive, vollständig gegangene Umwege. Ganz nach Dylan: What‘s life without the occasional detour?”

(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 11. Juni 2022)

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