klang-reden. Mozartforschung und kein Ende …

11.12.2021
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Cover klang-reden

Der jüngste Band der Publikationsreihe „klang-reden“ des Instituts für Musikalische Rezeptions- und Interpretationsgeschichte ist ein Plädoyer für eine empirische Repertoireforschung – und öffnet neue Perspektiven auf Mozart.

In der Publikationsreihe „klang-reden“ sind bislang 25 Bände zu zahlreichen Themenfeldern erschienen, u.a. sieben Bände, die sich mit Mozart beschäftigen.

Die Beschäftigung mit der Musik Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts („Wiener Klassik“) ist in der aktuellen Musikwissenschaft zunehmend ein Auslaufmodell. So vermeldeten etwa vereinzelte Rezensionen im Umfeld der beiden großen Mozart-Jubiläen von 1991 und 2006, dass aus der Mozartforschung insgesamt „die Luft raus“ sei und Mozart als wissenschaftlicher Gegenstand obsolet geworden wäre. Eine Einschätzung, die sich auch auf das klassische Repertoire der Musik des 19. Jahrhunderts beziehen lässt und einen deutlichen Generationswechsel im Fach Musikwissenschaft spiegelt. Eine solche Entwicklung kann eine Musikwissenschaft an einer Kunstuniversität aber natürlich nicht zur Gänze mittragen – und eine Kunstuniversität Mozarteum schon gar nicht: Studierende aus über 80 Nationen wollen an der Universität Mozarteum Salzburg auch deshalb studieren, weil sie für eine vielfältige musikalische Praxis steht, in der die Musik der Wiener Klassik gespielt, gehört und gelehrt wird. Sich von diesem auch berufsrelevanten Kernrepertoire bewusst zu distanzieren, kann sich eine kunstuniversitäre Musikwissenschaft nicht erlauben.

Vor diesem Hintergrund war es ein Teilprojekt des >Instituts für Musikalische Rezeptions- und Interpretationsgeschichte (IMRI) der Universität Mozarteum Salzburg, die Aktualität der Mozartforschung für die Bereiche Rezeption, Interpretation und Analyse in Verschränkung mit aktuellen Fragen der Wissenschaftstheorie aufzeigen. Die Institutsreihe „klang-reden“ hat dazu bisher sieben Bände vorgelegt.

Vor allem das Aufarbeiten der Interpretationsgeschichte ist ein wesentlicher Aspekt der modernen Mozartforschung – eine Frage, die auch für Studierende von besonderem Belang ist: Wie wurde und wird die Musik Mozarts gespielt? Welche ästhetischen und interpretatorischen Aspekte sind dabei womöglich auch für mein eigenes Spiel wichtig? Die Interpretationsforschung ist, trotz einzelner Arbeiten seit den 1950er-Jahren, noch immer eine junge Disziplin im Fach Musikwissenschaft und derzeit besonders um eine Methodenfindung bemüht. Neben dem ersten Band „Mozarts letzte drei Sinfonien“ vermittelt der Band „Zur Interpretation von W.A. Mozarts Kammermusik“ hierzu modellhafte Studien zu ausgesuchten methodischen Aspekten einer Interpretationsforschung zu Mozart – mit Beiträgen von Bernadeta Czapraga und Rainer J. Schwob, die neben Alexander Drčar als fixe Mitglieder des IMRI die nächste Generation künftiger Mozartforschung repräsentieren.

Die Rezeptionsforschung ist dagegen ein etablierter Bereich der Mozartforschung mit einer langjährigen Forschungstradition. Man kann wohl ohne Übertreibung festhalten, dass Mozart die komplexeste Rezeptionsgeschichte der Komponierenden im 18. und 19. Jahrhundert aufweist. Das zeigt auch der Band „Herausforderung Mozarts“ zur kompositorischen Rezeptionsgeschichte sowie Mozarts berühmte „Kleine Nachtmusik“, KV 525, die trotz einer weltweiten Rezeption noch immer zahlreiche biographische und rezeptionsästhetische Leerstellen aufweist. Dieses beleuchtet der Band „Zwischen `Cultural Heritage´ und Konzertführer“, der auch methodische Fragen einer modernen Rezeptionsforschung thematisiert. Der wohl zentrale Beitrag stammt vom führenden Diskologen der deutschsprachigen Musikwissenschaft, Martin Elste, der in einer detailintensiven, über 60-seitigen Studie „Von der Schellackplatte zum Klingelton-Chip“ einen diskologischen Krimi verfasst hat, wie die „Kleine Nachtmusik“ auf Schallplatte und andere Medien gekommen ist.

Für die Musikwissenschaft an der Universität Mozarteum Salzburg ist es eine Selbstverständlichkeit, an aktuellen Fragestellungen und Theorien anderer Disziplinen zu partizipieren und sie auch kritisch zu verorten. Solches bespricht für die Intertextualitätstheorie exemplarisch der Band „Intertextualität und Rezeptionsgeschichte?“, der neben einer 70-seitigen kritischen Synopse zur Anwendbarkeit intertextueller Kategorien auf musikalische Phänomene am Fallbeispiel von Mozarts „Divertimento in Es-Dur“, KV 563, Intertextualität konkret hinterfragt. Interessant ist dabei, dass Mozart einer der ersten, wenn nicht der erste Komponist der europäischen Musikgeschichte war, bei dem man tatsächlich von Intertextualität als auktorialer Kategorie sprechen kann.

Der Versuch, Salzburg als Standort einer Mozartforschung zu etablieren, zeigt sich auch in der langjährigen Zusammenarbeit mit der Stiftung Mozarteum, dort vor allem mit der Mozart Ton- und Filmsammlung. Der 2016 anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Ton- und Filmsammlung und 10 Jahren IMRI erschienene Jubiläumsband „Sowohl Mozart als auch ¼“ dokumentiert dies mit ausgesuchten Fragen zu Mozarts Rezeptions- und Interpretationsforschung.

Dass die Mozartforschung derzeit noch lange nicht am Ende angelangt ist, zeigt auch der letzte Band der Serie, „Mozart-Perspektiven“, dessen Untertitel „Plädoyer für eine empirische Repertoireforschung“ die Richtung vorgibt: Die Musik Mozarts, mit ihren zahlreichen Facetten einer musikalischen wie kontextbezogenen Pluralität, ist aktueller denn je. Solches vermittelt sich in Büchern des französischen Filmemachers Eric Rohmer, „Von Mozart zu Beethoven“ (Paris 1996) ebenso wie in der bemerkenswerten Verfilmung der „Zauberflöte“ von Sir Kenneth Branagh (2006). Angesichts aktueller gesellschaftlicher Verwerfungen im Umfeld der jüngsten Krisen steht die Musik Mozarts und die der Wiener Klassik vor allem für eines – nämlich der Idee einer europäischen Aufklärung. Das im Zentrum von Europa liegende Salzburg fordert dieses auch schon geradezu geographisch idealtypisch ein.

 

(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 11. Dezember 2021)

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