Wendepunkte – Frauen am Mozarteum

01.06.2025
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© Universität Mozarteum

Die Geschichte der Frauen an der Universität Mozarteum ist nicht linear – sie erzählt von Pionierinnen und strukturellen Barrieren, von Aufbrüchen und hartnäckigem Wandel und ist in einer Ausstellung von 2. bis 18. Juni zu erleben.

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Foto: Viorica Krauss-Ursuleac links im Bild mit zwei Studierenden / Jahresbericht Universität Mozarteum 1967/1968 (Seite 89)

„Wenn es die Kräfte des Vereins und sonstige Verhältnisse gestatten, so wird sich der Verein auch angelegen seyn lassen, den Unterricht am Mozarteum auch auf das weibliche Geschlecht, jedoch jedenfalls abgesondert, auszudehnen.“

Diese Formulierung in den Statuten des Salzburger Dom-Musik-Vereins anlässlich der Gründung seiner Ausbildungsstätte Mozarteum 1841 lässt zwar in puncto Gleichberechtigung noch einige Unverbindlichkeiten zu, stellt aber dennoch einen ersten Wendepunkt im Hinblick auf paritätische Musikausbildung in Salzburg dar. Die ersten Schülerinnen, deren Ausbildung „die Kräfte des Vereins und sonstige Verhältnisse“ zuließen, sind wenig überraschend im Fach Gesang zu finden. Diese wirkten bereits im November 1847 bei einer Messe von Alois Taux im Salzburger Dom mit. Mit einer Notiz über diese Aufführung in der Wiener Zeitschrift  ist für die Musikwissenschaftlerin Eva Neumayr geklärt, dass „spätestens ab Herbst 1847 Frauen eine Funktion ausübten, die jahrhundertelang Männern vorbehalten war“.

Die ersten Lehrerinnen, nachweisbar in den Fächern Gesang und Klavier, stammten – soweit bekannt – meist aus gut situierten Familien und/oder verfügten über wohlhabende Ehemänner. Gemäß den Geschlechtervorstellungen des 19. Jahrhunderts, wonach bürgerliche Frauen – zumal verheiratete – keine einkommensgenerierende Tätigkeit verrichten sollten, wurde deren Unterrichtstätigkeit am Mozarteum lange als Ehrenamt gesehen. Dementsprechend hatten diese Pionierinnen nicht nur gegen einen mehr oder weniger sichtbaren Gender Pay Gap zu kämpfen, sondern dafür, überhaupt entlohnt zu werden. Auch nachdem das Mozarteum 1914 als Konservatorium anerkannt wurde, fochten Klavierlehrerinnen wie Berta Kulstrunk und Else Indra, die 1934 gemeinsam mit der Sängerin Martha Schlager als erste Frauen den Titel „Professor[in]“ erhielten, weiter um Fair Pay.

Die institutionellen Veränderungen 1914 brachten zwar noch keine Gehaltsgleichstellung zwischen den Geschlechtern, aber eine Öffnung aller angebotenen Unterrichtsfächer für Frauen. So findet sich ab dem Studienjahr 1914/15 unter anderem erstmals der Nachweis einer weiblichen Teilnehmerin im „Kompositionskurs“. Und auch wenn die Schüler*innenverzeichnisse der folgenden Jahrzehnte nicht lückenlos überliefert sind, lassen sich darin sukzessive erste Frauen in weiteren Studienrichtungen nachweisen, die bis heute männlich dominiert sind: Kapellmeisterkurs (1922/23), Schlagwerk (1931), Kontrabass (1932). Zwischen erster Einschreibung und erster Abschlussprüfung liegen allerdings oftmals Jahrzehnte: Erst 1962/63 legte mit Renata Braunwieser eine Frau einen Abschluss als „Kapellmeister[in]“ ab, Christina Obber folgte im Dirigieren 1977/78. Auf dem Kontrabass war Brigitte Hampel 1972 die erste Absolventin, Patrizia Caprioli-Berger am Schlagzeug 1987, Aurelia Sickert im eigenständigen Fach Komposition 1992. Und obwohl inzwischen über 60 % der Absolvent*innen der Universität Mozarteum weiblich sind, brachte das Haus erst im Studienjahr 2024/25 die erste Absolventin im Konzertfach Posaune hervor, und wartet bis heute auf eine Absolventin im Konzertfach Tuba.

Im Jahr 1988 war Michaela Schwarzbauer als Frau immerhin die zweite Person, die an der damaligen Hochschule Mozarteum promovierte. Die bislang einzigen zwei Promotionen „sub auspiciis praesidentis“ (also mit Bestnoten und unter Anwesenheit des Bundespräsidenten) wurden von Anna Maria Kalcher 2007 und Elisabeth Eder 2023 an der Universität Mozarteum gefeiert.

Diese Entwicklungen stehen exemplarisch für eine Geschlechterdynamik, wie sie sich auch an anderen Musikausbildungsstätten beobachten lässt – mit spürbaren Auswirkungen u.a. auf die Besetzung von Professuren und auf die Zusammensetzung vieler europäischer Orchester. Die Sichtbarkeit weiblicher Vorbilder – sei es auf der Bühne, in Unterrichtszimmern oder in Ausstellungen – ist dabei nicht bloß wünschenswert, sondern essenziell: als Orientierung, als Bestärkung, als Impuls zur kritischen Reflexion über das, was war – und das, was sein könnte. Denn wo Frauen nicht nur Inhalte, sondern auch Strukturen gestalten, entstehen Räume für Wandel.

Frauen in Führungspositionen

Ganz ohne Quote, aber mit Weitblick, gründete im Jahr 1914 die gefeierte Sopranistin Bianca Bianchi die Opernschule am Mozarteum. 1916 war es mit Lilli Lehmann erneut eine international renommierte Sängerin, die mit ihren Gesangskursen den Grundstein zur späteren, bis heute erfolgreichen Internationalen Sommerakademie Mozarteum legte. Frauen als Initiatorinnen waren offenbar kein Problem, solange keine offiziellen Titel mitgeliefert werden mussten. Denn Erika Frieser, die 1979 als erste und bis heute einzige Pianistin Leiterin der Abteilung für Tasteninstrumente wurde, erhielt 1982 die Ernennung zum ersten weiblichen „Ordentlichen Hochschulprofessor für Klavierkammermusik, Vokal- und Instrumentalbegleitung“. In Hinblick auf die erste Abteilungsleitung waren Kolleginnen aus Gesang und Oper allerdings Jahrzehnte voraus: Martha Schlager-Haustein übernahm 1952, Viorica Krauss-Ursuleac 1962 die Leitung der jeweiligen Fachbereiche. Auch im Schauspiel übernahm 1962 erstmals mit Hilde Weissner eine Frau das Ruder.

Als im Jahr 1986 die Juristin Annemarie Lassacher-Sandmeier die erste weibliche Rektoratsdirektorin, also Leiterin der Verwaltung wurde, zeugt ein Protokoll des Gesamtkollegiums (dem damaligen Senats-Pendant) erneut weniger von fehlender Kompetenz beim Gendern als von einer über Jahrhunderte eingeübten Textbaustein-Automatik männlicher Funktionszuschreibungen: „Der Rektor begrüßt die Anwesenden, insbesondere […] den neuen Rektoratsdirektor, Frau Dr. Annemarie Lassacher-Sandmeier, […]“.

Die Universitätsgesetz-Novelle bot die rechtliche Grundlage dafür, dass sich im Jahr 1999 mit Manuela Widmer eine Frau der „Mittelbaukurie“ gegen einen männlichen Kandidaten aus der „Professorenkurie“ als erste weibliche Vorsitzende des Universitätskollegiums der Universität Mozarteum durchsetzen konnte. „Mir war klar, dass ich die Überzeugungen, die ich bisher als Frau in einer nach wie vor männlich dominierten Gesellschaft immer vertreten hatte, jetzt unter Beweis stellen konnte und musste! Immer schon hatte ich beklagt, dass Frauen sich ihrer Fähigkeiten zu wenig (selbst)bewusst sind und viel zu bescheiden zurückstehen, wenn es um Führungspositionen geht“, beschrieb sie später ihre Motivation.

Gertraud Steinkogler-Wurzinger, ebenfalls aus dem „Mittelbau“, übernahm im Jahr 2000 als erste Frau die Funktion einer Vizerektorin und wurde 2013 zur ersten weiblichen Senatsvorsitzenden gewählt. Parallel dazu übte mit Viktoria Kickinger auch erstmals eine Frau den Vorsitz im Universitätsrat aus. Ab 2016 traten Brigitte Hütter und Sarah Wedl-Wilson als erste Interimsrektorinnen in Erscheinung, bis schließlich 2018, also 177 Jahre nach Gründung des Mozarteums, mit Elisabeth Gutjahr die erste regulär gewählte Rektorin die Leitung des Hauses übernahm.

So zeigt sich: Wandel braucht Ausdauer, Mut und verlässliche Strukturen, und er beginnt oft dort, wo Einzelne bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – nicht trotz, sondern gerade wegen jener Hürden, die ihnen vorausgingen. Sichtbar zu machen, wer welche Wege gegangen ist – unter welchen Bedingungen, mit welchen Kämpfen und Erfolgen –, bedeutet mehr als historische Gerechtigkeit: Es schafft ein Bewusstsein für die Voraussetzungen von Teilhabe und wirft ein kritisches Licht auf das Heute. Denn Gleichstellung ist kein Zustand, sondern ein Prozess – einer, der Erinnerung ebenso braucht wie klare Perspektiven. Und eines ist gewiss: Die nächsten Kapitel sind noch nicht geschrieben.


(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 31. Mai 2025)

Termin

  • 5.6.2025
    17:30 Uhr
    Foyer Haupthaus
    Spot on Women
    Wie Frauen am Mozarteum Wende*punkte bewirkten: „Wenn es die Kräfte des Vereins und sonstige Verhältnisse gestatten, so wird sich der Verein auch angelegen seyn lassen, den Unterricht am Mozarteum auch auf das weibliche Geschlecht, jedoch jedenfalls abgesondert, auszudehnen.“ (Statuten von 1841).
    Ausstellung
    · Eintritt frei!

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