
Zyklen, Zeiten, Zukunftsmusik: Im November präsentiert sich die zweite Ausgabe des interdisziplinären ORA – Originalklang-Festival der Universität Mozarteum Salzburg.
Franziska Wallner, Leiterin des Instituts für Coaching & Career an der Universität Mozarteum, über Resilienz, Karriere und den Wandel in der Musiker:innenausbildung.
Institut für Coaching & Career
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career@moz.ac.at
Wie sieht die Zukunft der Musiker:innenausbildung in Europa aus? Beim Jahreskongress „The Sound of Future Music Education: Leadership, Innovation and Wellbeing“ der Association Européenne des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen (AEC), der dieses Jahr von der Universität Mozarteum in Salzburg ausgerichtet wird, spricht Franziska Wallner als Leiterin des Instituts für Coaching & Career über Stressbewältigung, Selbstführung und neue Kompetenzprofile für Künstler:innen. Im Gespräch erklärt sie, warum Resilienz für sie weit mehr ist als eine kurzfristige Krisenstrategie – und weshalb klassische Karrierewege für viele junge Musiker:innen nicht mehr ausreichen.
Was genau bietet das Institut für Coaching & Career an der Universität Mozarteum an?
Das Institut für Coaching & Career gibt es seit 2023 und arbeitet wie die meisten Institute an der Universität Mozarteum bereichsübergreifend, das heißt, wir bieten verschiedene Workshops, Einzelberatungen, Coachings und Freie Wahlfächer für Studierende aus allen Departments bzw. Disziplinen an. Die Schwerpunkte liegen auf Karrieregestaltung, dem Erwerb von überfachlichen Kompetenzen und auf physischer und psychischer Gesundheit. Und wir haben außerdem einen Startup- und Gründungsservice sowie eine Vermittlungsbörse für Künstler*innen aufgebaut.
Warum braucht es diese Angebote an einer Kunstuniversität?
Auf der einen Seite ist die physische und psychische Gesundheit ein sehr relevantes Thema, auf der anderen Seite stehen natürlich die Herausforderungen am Arbeitsmarkt. Dieser hat sich stark verändert, dementsprechend muss man eine andere Art von Flexibilität mitbringen und die eigene Erwartungshaltung vielleicht überdenken. Wir haben einen Markt, der darauf angewiesen ist, dass die Leute flexibel in ihrer Ausrichtung, sehr experimentierfreudig und bereit sind, interdisziplinär zu arbeiten. Das sind große Herausforderungen. Deshalb ist es wichtig, Studierende gut darauf vorzubereiten, die Angebote dafür können durchaus noch intensiver sein. Über mentale Gesundheit zu sprechen ist noch nicht so selbstverständlich, wie es sein sollte. Und es ist auch eine soziologische Frage, z.B. aus welchen kulturellen Hintergründen Studierende kommen und ob es leichtfällt, seine Emotionen auszusprechen oder sich einzugestehen, dass man vielleicht irgendwo Unsicherheiten hat. Den Bedarf sehe ich aber ganz generell.
Du sprichst beim AEC-Kongress zum Thema „Resilient zwischen Stressbewältigung und Zukunftskompetenzen“ Wie definierst du Resilienz in diesem Kontext?
Nach meinem Verständnis hat Resilienz nicht nur mit Stressmanagement zu tun, sondern mit der Selbstwahrnehmung und damit, wie man seine eigenen Stärken einschätzen kann, das Bewusstsein über die eigenen Kompetenzen, die vielleicht über das Fachliche hinausgehen. Ein wichtiger Punkt für Resilienz im Kunst- und Kulturbereich ist das Wissen um die Selbstwirkung, die eigenen Skills abseits der fachlichen Kompetenz und wo sie eingesetzt werden. Wer seine Stärken kennt und sie flexibel einsetzen kann, kann Umbrüche souveräner meistern und Chancen für neue, flexible Karrierewege jenseits klassischer Laufbahnen erschließen. Es braucht eine gute Balance zwischen Selbstwirksamkeit, dem Einsatz der eigenen Kompetenzen und den Strategien des Stressmanagements sowie eine gute Achtsamkeit gegenüber der eigenen Gesundheit.
Du wirst auch Einblicke in deine Forschung zum Thema „Transferable Skills“ geben. Was ist damit gemeint?
Primär geht es um überfachliche Kompetenz, die man auch in anderen Branchen oder bei verschiedenen beruflichen Herausforderungen anwenden kann. Wenn man bei uns zum Beispiel Musik studiert, lernt man auch viel über kulturelles Verständnis, über Auftrittssicherheit, Umgang mit Stress und Kritik, aber auch über Social Media Marketing oder den Umgang mit Selbstmanagement. Das alles ermöglicht ein breiteres berufliches Portfolio. Wir wissen aus diversen Studien, dass Personen, die sich künstlerisch am Arbeitsmarkt betätigen, meistens eine „Portfoliokarriere“ haben, also verschiedene berufliche Bereiche ausüben.
Hat sich diesbezüglich auch das Bewusstsein von Studierenden schon geändert?
Vielen Künstler:innen ist inzwischen bewusst, dass man heute ein 360-Grad-Profil braucht. Und ich habe das Gefühl, dass der Wertewandel, den unsere Gesellschaft permanent durchläuft, dabei eine große Rolle spielt. Oft genügt es den Künstler:innen nicht mehr, einfach nur Teil einer Gesamtproduktion zu sein. Sie möchten vielmehr einen echten Mehrwert für die Gesellschaft leisten – sei es einen sozialen, kulturellen oder ökologischen Beitrag. Dieses Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit und Einfluss ist sehr stark ausgeprägt, oftmals ist es nicht mehr das Ziel, 40 Stunden pro Woche in einem Orchester angestellt zu sein, stattdessen wünschen sich viele, selbstständig oder freiberuflich zu arbeiten, sich persönlich zu verwirklichen, eine gute Life-Work-Balance zu haben und mit Inhalten und Werten tätig zu sein, die zu ihrem eigenen künstlerischen Selbstverständnis passen.
Das Institut für Coaching & Career entwickelt regelmäßig neue Angebote. Wie wählst du das Angebot aus, welche Schwerpunkte legst du?
Der Input für meine Arbeit kommt aus mehreren Quellen: Aus Gesprächen mit Studierenden und Alumni und der Frage, was sie brauchen und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Ich stehe zusätzlich in engem Kontakt mit Informationszentren wie mica – music austria, die regelmäßig aufzeigen, welche Workshops und Angebote tatsächlich angenommen werden. Ich lese viele Studien und führe derzeit auch selbst eine Studie durch, in der ich freischaffende Musiker:innen in Österreich befrage, wie es ihnen geht und wie ihre tatsächliche Arbeitsrealität aussieht. Und ich bin in verschiedenen Netzwerken aktiv und tausche mich regelmäßig mit Kolleg:innen anderer Universitäten aus. Durch diesen Austausch kann ich überprüfen, ob wir mit unserem Angebot auf einem guten Weg sind oder ob es Bereiche gibt, die neu gedacht werden sollten. Da ich jedes Semester ein neues Programm entwickeln kann, bleibt unser Angebot hoffentlich immer „up to date“ und greift die Themen auf, die gerade besonders relevant sind.
Was wünscht du dir für die Zukunft der Musiker:innenausbildung?
Dass Gesundheit, Resilienz und Selbstführung genauso selbstverständlich werden wie Technik, Interpretation oder Musiktheorie. Künstlerische Qualität und persönliche Stabilität gehören für mich untrennbar zusammen. Und ich möchte die Rolle von Netzwerken betonen: Viele Studierende verbringen ihr Studium hauptsächlich allein im Übezimmer und konzentrieren sich nur auf ihre Arbeit. Wenn man nach dem Studium in die Berufswelt startet, merkt man oft, wie viele Chancen man verpasst hat, Menschen kennenzulernen und Beziehungen aufzubauen. Netzwerken ist für mich das A und O, weil die Szene insgesamt sehr klein ist. Es gibt nicht „die“ eine Kulturszene, sondern viele kleine Szenen, in denen man sich kennt, sich gegenseitig empfiehlt und vieles über Mundpropaganda läuft. Deshalb finde ich jede Form von Veranstaltung, bei der man sich begegnen, präsentieren und in Kontakt bleiben kann, extrem wichtig. Formate wie der AEC, bei denen man viel Input bekommt, aber gleichzeitig in Austausch mit anderen Musikuniversitäten treten kann, halte ich für zentral für die eigene Entwicklung. Netzwerke müssen aktiv gepflegt werden. Es ist wichtig, einen Überblick zu behalten und zu wissen, mit wem man wo in Kontakt treten kann – sonst steht man schnell ziemlich allein da, wenn man keine Agentur im Hintergrund hat.
Was ist dein wichtigster Tipp für einen guten und auch achtsamen Studienalltag?
Freizeit wie Arbeitszeit behandeln – also bewusst einplanen und nicht streichen. Das klingt banal, ist aber eine der wirksamsten Strategien gegen Überlastung. Pausen sind keine verlorene Zeit, sondern die Grundlage für Leistung.
(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 4. Oktober 2025)