Echoes of Osaka - Designing Voices in Salzburg

27.10.2025
Interview
© Ray Garden

Die Association Européenne des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen (AEC) ist eine überregionale Organisation mit dem Ziel, europaweit Musikhochschulen miteinander zu vernetzen und den internationalen Standard der Ausbildung gemeinsam hochzuhalten. Zwischen dem 5. und 8. November 2025 hält die AEC einen Kongress an der Universität Mozarteum Salzburg ab, der sich Themen wie Leadership, Resilienz, Professional Skills und Health Care innerhalb der universitären Musikausbildung widmet.

Teil des Programms für mehrere hundert erwartete Gäste aus aller Welt sind auch Konzerte und musikalische Präsentationen.

Darunter befindet sich auch der Auftritt des Chores „Designing Voices“ am 7. November im Großen Saal der Stiftung Mozarteum. Diesen Chor gibt es eigentlich gar nicht – zumindest nicht in der Weise, wie man das von anderen Chören gewohnt ist. Warum das so ist und was wir daraus lernen können, erläuterte der musikalische Leiter des Ensembles, Jörn Andresen im Vorfeld des Konzerts im Gespräch mit Stephan Höllwerth.

‘Designing Voices‘ – ein überraschender Name für ein Chorensemble. Gehe ich recht in der Annahme, dass er mehr beinhaltet als ein ‚Design von Stimmen‘, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte? Könntest du uns kurz die Gründungsidee des Ensembles skizzieren? Wie kam es eigentlich dazu und wie rekrutieren sich die Chormitglieder?

Der Chorname orientiert sich am Motto der heurigen EXPO 2025 in Osaka ‚Designing Our Future‘. Die Grundidee, einen Chor der europäischen Hochschulen als Kulturbotschafter dorthin zu schicken, stammt von Elisabeth Gutjahr, die neben ihrer Funktion als Rektorin des Mozarteums auch Vizepräsidentin des Dachverbandes der europäischen Musikhochschulen  ist. Im Fokus unseres Auftritts im Österreichischen Pavillon in Osaka stand das Phänomen der ‚Stimme‘ als solches: nicht nur ihre einzelnen Lautäußerungen, sondern die Stimme als grundsätzliche Ausdrucks- und Verständigungsmöglichkeit im speziellen der jüngeren Generation, wenn es um die Zukunft unserer Welt geht. Das Ziel war es, pro Hochschule eine*n Sänger*in nach Osaka mitzunehmen, dort zu proben und gemeinsam Konzerte zu geben. Hinter dieser im Kern pluralistischen Idee steckt der Wunsch, Kommunikation und Verständigung zwischen den Herkunftsländern der Chormitglieder zu verbessern. Das führte dazu, dass Sänger*innen der meisten Länder Europas zusammen singen - angefangen von Deutschland, Österreich und der Schweiz bis hin zu Italien, Frankreich, Großbritannien, Polen, Portugal und Spanien.

Zwei Wochen war der Chor im Mai für Proben und Konzerte in Osaka, in einem Land also, das selbst für seine blühende Chorlandschaft bekannt ist. Wie hast du euren Aufenthalt dort wahrgenommen? In welchen Sälen seid ihr aufgetreten und wie war die Reaktion des Publikums? Gab es Gelegenheit zu einem Kulturaustausch?

Die Proben fanden im Kobe College, ein urspünglich katholisches Mädchencollege, das jetzt sehr breit mit Geistes- und Naturwissenschaften aufgestellt. Mit den dort wirksamen Chorleiter*innen hat sich ein näherer Kontakt ergeben. Auch wirkten vier japanische Studentinnen beim Auftritt von Designing Voices mit. Insbesondere das Konzert in Matsumoto bleibt mir in Erinnerung, weil dort mehrere örtliche Chöre anwesend waren, die uns beim anschließenden Empfang noch mit einer Gesangseinlage beschenkten. Die stärksten Reaktionen beim heimischen Publikum erzielten wir mit Werken Mozarts und Michael Haydns. Besonders guten Anklang gefunden hat das Salzburger Volkslied ‚I tua was I will‘ an. Ich glaube, das ist ein Spiegel dessen, was man im Ausland mit Österreich verbindet.

Nun treten Designing Voices also unter dem Motto ‚Echoes from Osaka‘ im Rahmen des AEC-Kongresses in Salzburg auf. Abgesehen davon, dass einige Stücke hier wieder aufgeführt werden, wie ist dieses Programm zustande gekommen? Repräsentiert die Programmauswahl in irgendeiner Weise den Spirit von Designing Voices?

Bis das Programm in seiner jetzigen Gestalt zustande kam, war viel Recherche und Kleinarbeit nötig. Ziel war es ja, der Chormusik in ihrer europäischen Gesamtheit eine Stimme zu geben. Dabei konnte ich mich auf ein besonderes Netzwerk stützen und zwar den World Youth Choir, mit dem ich 2024 zusammengearbeitet habe. Mit manchen der Sänger*innen bin ich nach wie vor in regem Austausch und von ihnen holte ich mir wertvolle Anregungen. So kam es, das Programm in seiner jetzigen Gestalt unterschiedlichste Stilistiken von Barock bis zeitgenössischer Musik aufweist, wobei die Gattungen Chorlied über den Protestsong, die Literaturvertonung sowie Hymne und Gebet bis zu kleinen Chorszenen reichen, die in ihrer dramatischen Anlage an Oper denken lassen. Unter den Komponisten befinden sich so klingende Namen wie Ravel, Britten, Rautavaara und Whitacre, um nur einige zu nennen. Die Sänger*innen selbst wurden erst gecastet, als das Programm schon stand. Sie hatten also keinen direkten Einfluss darauf, waren aber in der Einstudierungsphase bei der Aussprache der fremdsprachigen Texte behilflich.

Einen Schwerpunkt des diesjährigen AEC-Kongresses in Salzburg bildet die Wechselwirkung zwischen Musik und Gesundheit. Gerade im Bereich Chorgesang laufen seit einigen Jahren wissenschaftliche Forschungen, die unter anderem auch von der Universität Mozarteum unterstützt werden und herausfinden möchten, wie sich Singen auf mentaler, physischer und sozialer Seite auswirkt. Könntest du ausgehend von deinen eigenen Erfahrungen als Chorleiter und Chorpädagoge eine Querverbindung zum Gesundheitsaspekt herstellen? Macht/hält Singen gesund?

Singen und Chorsingen hat auf alle Fälle viele positive Effekte, auch wenn ich nicht so weit gehen würde, es direkt mit der Heilung pathologischer Erscheinungen in Verbindung zu bringen. Worum es bei jedem Chorensemble letztlich geht, ist, musikalisch und menschlich in Resonanz mit anderen Stimmen zu treten. Das äußert sich in so unmittelbaren Aspekten wie der Intonation, dem Teamgeist und einer gemeinsamen Zielvorstellung, reicht aber darüber hinaus bis in seelische Bereiche hinein: Was Chorsänger:innen letztlich suchen, ist das enorme Glücksgefühl, das entsteht, wenn die Musik ‚aufgeht‘. Das ist der Lohn für eine mitunter mühsame Probenzeit. Voraussetzung für solche Flow-Erlebnisse ist die intensive emotionale Identifikation jedes Einzelnen mit dem Ganzen.

Der Einsatz dafür ist mitunter hoch: Ich erinnere mich, dass die Chorsänger*innen in Japan bis zu sechs Stunden täglich gesungen haben, was auch für professionelle Kräfte viel ist. Dazu kamen aber noch drei Stunden An- und Abfahrtszeit! So etwas bringt einen physisch und motivational an die Grenzen, es schweißt aber auch zusammen. Ich bin sehr dankbar, das gemeinsam mit den jungen Leuten erlebt zu haben und freue mich besonders auf unser ‚Echo aus Osaka‘ für das Publikum hier in Salzburg.

Zur Veranstaltung