This World Is White No Longer

03.06.2021
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Bild der Ausstellung, ein C schwebt inmitten des Raumes | © Fabian Schober

Die Projektausstellung „This World Is White No Longer“ der Klasse für Fotografie und Neue Medien der Universität Mozarteum im Rupertinum des Museums der Moderne präsentiert Arbeiten, die aus einer intensiven Beschäftigung mit verschiedenen Ausprägungen von Rassismus entstanden sind. Ein Besuch der Ausstellung, die viele „Was wäre, wenn“-Situationen eröffnet.

Ausstellung
24. April bis 10. Oktober 2021

Generali Foundation Studienzentrum
Museum der Moderne Salzburg, Rupertinum

„Diese Welt ist nicht mehr weiß und wird es nie mehr sein“. Der US-amerikanische Schriftsteller James Baldwin formuliert mit dem Satz aus seinem „Stranger in the village“ (1953) eine entscheidende Kritik am westlichen, weißen Denken. Was wäre, wenn die weiße Brille abgenommen werden würde?

Bereits beim Betreten der Ausstellung „This World Is White No Longer. Ansichten einer dezentralisierten Welt“ im Rupertinum verändert sich für Besucherinnen und Besucher der Fokus. „Bilder anderer Kulturen misst man immer mit eigenen Kriterien“, sagte Thorsten Sadowsky, Direktor des Museums der Moderne, bei der Eröffnung der Ausstellung im April. Ein Vorgang, der unmittelbar das Hinterfragen der eigenen Position zur Folge hat. Was wäre, wenn. 

Wir gehen weiter, in den 2. Stock. Dort befindet sich die gleichnamige Ausstellung „This World Is White No Longer“ der Klasse für Fotografie und Neue Medien der Universität Mozarteum. In Kooperation mit dem Museum der Moderne zeigen Studierende ihre Ansichten aus der Auseinandersetzung mit den Ausprägungen von Rassismus und Xenophobie, mit dem Hinterfragen von Identitätszuschreibungen und mit der Suche nach Möglichkeiten von Machtkritik und Selbstermächtigung. Die schwarze BB ist Bundeskanzlerin Österreichs. Afrodite herrscht über ein fiktives Äthiopien. Die bekannten Muster und Kleider werden abgelegt. Angelika Wienerroither zeigt mit „Utopia“, dass ein Miteinander auch anders möglich wäre. Die Skulptur aus drei Kreishälften von Hanna Imhoff mit dem Titel „Rassistische Gesellschaft“ dreht sich langsam im Raum und offenbart eine schwarze und eine weiße Seite. Zahlreiche Besucher*innen haben bereits mit ihren Fingern die Farbe von einer Seite auf die andere übertragen, wie selbstverständlich wird das gegensätzlich Geglaubte zu einer viel spannenderen Mischung. Und im Audiobeitrag ihrer Arbeit „Ich über mich über ihr über sie“ erzählt Eva-Maria Schitter von einer Bettlerin in ihrem Hauseingang und von ihrem eigenen Unbehagen und schlechtem Gewissen darüber. „Ich würde mich gerne neben sie setzen“. Was wäre, wenn? 

Nicht erst seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd durch Polizeigewalt, die transnationale Bewegung #BlackLivesMatter oder Amanda Gormans Gedicht „The Hills We Climb“ zur Angelobung von Joe Biden als 46. Präsident der USA sind die unterschiedlichen Formen von Rassismus und die „weiße Prägung“ der Welt Thema. Auch die Klasse für Fotografie und Neue Medien war bereits im Vorfeld der Ausstellung in einem intensiven Diskussions- und Arbeitsprozess, der auch die eigenen Positionen miteinbezog: Wo beginnt Rassismus? Welche Meinung habe ich eigentlich selbst bei der Beleuchtung unterschiedlicher Diskriminierungsformen? Die Studierenden knüpfen mit ihren Werken weitreichende Verbindungen – zu den allgemeinen, diskriminierenden Mechanismen sozialer Medien und zu neokolonialistischen Praktiken des Tourismus einerseits, zu der individuellen Herangehensweise innerhalb der österreichischen, europäischen Kultur und Ökonomie andererseits. Die Ausstellung bedrückt und erhellt zu gleichen Teilen. Die Treppe hinauf in den 3. Stock des Rupertinum ist gesäumt mit individuellen Ankündigungsplakaten der Ausstellung, gestaltet von den jeweiligen Blickwinkeln der Studierenden. Fast unwillkürlich stellt man sich beim Betrachten selbst Fragen, welche Position man selbst bezieht, wo man hinhört, wo weg? Im Lesesaal, dem letzten Raum der Ausstellung, lädt schließlich die Sculpting Feminism Reading Group mit Büchern und einer Videostation zum Verweilen und zum Reflektieren des Gesehenen und der offenen Fragen ein. Mit digitalen Performances via Zoom wurden in gemeinsamen Lesungen von feministischen Texten Audiofiles produziert, die zu Ausstellungsstücken transformiert wurden. Das gemeinsame Lesen, Sprechen und der Austausch über das Gelesene wird dabei genutzt, um Atmosphären zu erzeugen, die durch Stimme, Akzent oder Intonation Texte physisch erfahrbar machen lassen.

„This World Is White No Longer“ ist eine Konstatierung der unterschiedlichen Zugänge zu strukturellem und alltäglichem Rassismus und ebenso ein Verhandlungsraum innerhalb der künstlerischen Auseinandersetzung. Die Ausstellung macht deutlich, dass es hier nicht eine allgemein gültige Meinung geben kann, dass aber Positionen innerhalb der Thematik sehr wohl definiert sind. Sie eröffnet gleichzeitig einen Raum, in dem Paradigmen diskutiert, getauscht, modifiziert werden können und sich damit das Format der Auseinandersetzung kontinuierlich verändert. Ein Prozess, der vielleicht das eigene Bewusstsein aus dem wortwörtlichen Schwarz-Weiß-Denken löst und die meist unsichtbaren weißen Privilegien langsam spürbar machen. Wenn auch nur durch das Gewicht einer Visitenkarte. Die Arbeit „Calling Cards“ von Hannah Imhoff, die zum Mitnehmen einlädt, bringt durch wenige Worte das Bewusstsein für mehr Einfühlungsvermögen jeglicher Hautfarbe auf den Punkt: „Ich bin weiß. Du auch?“

Was wäre, wenn nicht?

 

(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 5. Juni 2021)

Projektausstellung kuratiert von
Stefanie Grünangerl, Jürgen Tabor

Klasse für Fotografie und Neue Medien, Universität Mozarteum Salzburg

Lehrende: Gregor Neuerer, Sigrid Langrehr, Michael Mauracher, Peter Schreiner

Beiträge von: Alba Malika Belhadj Merzoug, Melanie Forsthuber, Pia Geisreiter, Magdalena Heller, Hannah Imhoff, Agnes Elena Kern, Vera Kern, Kevin Klinger, Leonie Mirjam Lindinger, Charlotte Pann, Sabine Reisenbüchler, Eva-Maria Schitter, Sculpting Feminism Reading Group, this world is Ego No longer, Angelika Wienerroither, Judith Zaunschirm

Lesende der Sculpting Feminism Reading Group: Rebecca Naß, Elena Lengauer, Dustin Waskow, Zoe Vitzthum, Charlotte Lang, Lara Schnepf, Benita Kogler, Hannah Imhoff, Marie Gruber, Caterina Mayer, Linda Kudla, Lena Ortner, Christina Jaques, Andrea Lumplecker, Ruth Berleth, Milena Keser, Leonie Zangerl u.a.

„This World Is White No Longer“ ist noch bis 10. Oktober 2021 im Museum der Moderne, Rupertinum zu sehen.

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