Wenn Epochen aufeinanderprallen

10.06.2025
Interview
© Wolf Silveri

Armela Madreiter, Absolventin der Universität Mozarteum und Dramaturgin der aktuellen Musiktheaterproduktion der Opernklasse von Florentine Klepper und Kai Röhrig, Medusa / Giuditta, im Gespräch über befruchtende Zusammenarbeit, spannende Frauenfiguren und das Überschreiten von Grenzen.

Du hast hier am Haus Applied Theatre studiert, lebst und arbeitest aktuell als Dramatikerin und Dramaturgin in Wien. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Florentine Klepper für die Produktion Medusa / Giuditta?

Ich habe vor einigen Jahren ein Projekt, das damals in Zusammenarbeit mit dem Thomas-Bernhard-Institut stattfand, dramaturgisch begleitet. Das hat viel Freude gemacht und es war auch kein Nachteil, dass ich nicht aus der „Operndramaturgie“ komme, sondern mein Fokus auf Schreiben und Sprechtheater liegt. Kai Röhrig und Florentine Klepper kamen letztes Jahr dann mit diesem Projekt auf mich zu und ich habe nicht lange überlegt. Ich bin durch mein Masterstudium „Applied Theatre“ gewohnt, über Grenzen und Sparten hinweg und vernetzend zu arbeiten und finde es schön, dass das auch in diesem Projekt passiert.

Mit Yann Robins Medusa und Alessandro Scarlattis Giuditta bringt ihr zwei Werke aus zwei vollkommen unterschiedlichen Epochen gemeinsam auf die Bühne. Wie schafft ihr es, sowohl musikalisch als auch szenisch Verbindungen zwischen den Werken herzustellen und die Werke zu einem „Musiktheaterabend“ zusammenzufügen?

Da gibt es unterschiedliche Verbindungslinien. Manche sind ganz offensichtlich, manche offenbaren sich vielleicht erst bei genauerer Betrachtung. Der Barockmaler Caravaggio, der bei uns ja sogar als Figur auftritt, ist bestimmt derjenige, bei dem alles zusammenfließt, denn er hat sowohl Giuditta als auch Medusa gemalt. Wir haben uns auch viel über das Motiv des Kopfes und der Enthauptung unterhalten – auch das wiederholt sich ja in beiden Werken. Medusa wird enthauptet, Judith enthauptet. Ebenso sind beide Frauen auf eigene Art äußerst machtvoll und dienen gleichzeitig als Projektionsfläche für Themen wie Gewalt, Macht, Furcht, Emanzipation und Sexualität.

Welche besonderen dramaturgischen Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten, siehst du in dieser Produktion? Inwieweit beeinflusst die prozesshafte Arbeitsweise, bedingt durch die erst nach und nach fertiggestellte Komposition von Yann Robin, eure Arbeitsweise?

Es ist immer eine Herausforderung, zwei Werke miteinander zu verbinden, noch dazu, wenn sie aus ganz unterschiedlichen Epochen stammen. Doch dabei entsteht auch ein großer Spielraum, ein Assoziationsraum zwischen den Werken, den es so noch nie gegeben hat. Ich denke, es wird durch das „Aufeinanderprallen“ der zwei musikalischen Werke auch etwas über Kontinuität erzählt. Es geht auch um verschiedene Dimensionen von Bildlichkeit in unterschiedlichen Epochen. Ich glaube, dass jede spannende und neugierige künstlerische Arbeit eine prozesshafte sein muss. Die Studierenden sind in den Proben selber kontinuierlich am Suchen und Entdecken auf allen möglichen Ebenen. Natürlich ist es eine Herausforderung, zu Beginn noch nicht zu wissen, wohin genau die Reise geht. Gerade das ist ja auch das spannende und lustvolle an so einer Produktion. 

Eine praktische Frage: Wie stellt ihr den Informationsfluss sicher zwischen der Regisseurin Florentine Klepper, Conny Zenk als Raum-, Video- und Lichtkünstlerin und dir als Dramaturgin, um „das große Ganze“ nicht aus den Augen zu verlieren?

Bei Florentine laufen die Fäden zusammen. Manches bespricht man im Einzelgespräch oder man schickt sich auch mal eine lange Sprachnachricht mit Gedanken. Wir waren aber immer wieder auch gezielt alle zusammen bei Proben, also Conny Zenk, Lena Matterne (Kostümbild, Anm.) und ich und haben uns danach ausführlich besprochen. Dabei kommt jede Person mit ihrem eigenen Blick, je nach Expertise, was ich immer als sehr produktiv und spannend empfunden habe. Manchmal kommen Ideen und Lösungen auch im gemeinsamen Gespräch erst auf. In den Endproben muss man dann noch einmal sehr gut aufpassen und sortieren. Das hat aber mit diesem Team großartig geklappt!

Welchen persönlichen Zugang hast du zu zeitgenössischer Musik, insbesondere zu zeitgenössischem Musiktheater?

Ich komme aus dem Sprechtheater, arbeite auch viel als Autorin und bin in diesem Feld eine Quereinsteigerin. Aber irgendwie bin ich durch Dramaturgie bei den Salzburger Festspielen immer wieder auf zeitgenössisches Musiktheater gestoßen – es scheint also etwas von mir zu wollen. Besonders im zeitgenössischen Musiktheater schätze ich den Mut zur Grenzüberschreitung: Zwischen Musik, Sprache, Bewegung und Bild entsteht oft etwas radikal Neues, das mich oft zum Staunen bringt wie im Fall von Medusa von Yann Robin. Wichtig sind auch interessante Texte! Wir hatten Glück, dass Elisabeth Gutjahr sich dafür gewinnen ließ und wir mit Fausto Tuscano auch gleich einen hervorragenden Übersetzer zur Hand hatten.

Wie würdest du die zwei zentralen Frauengestalten Medusa und Giuditta beschreiben?

Beide sind sehr ambivalente Figuren, die nicht so recht in ein klassisches Bild von Weiblichkeit passen. Giuditta entscheidet aktiv und handelt – religiös legitimiert, strategisch klug. Medusa wird zum Symbol für eine unterdrückte, aber nicht zum Schweigen gebrachte Kraft. Der Abend führt so zwei gegensätzliche, aber verwandte Frauenfiguren zusammen: Beide stehen für Grenzerfahrungen, für den Moment der Entscheidung, für das Spiel mit Blick, Schönheit, Gewalt. Und beide spiegeln – jede auf ihre Weise – das Spannungsfeld von Weiblichkeit, Macht und Bedrohung.

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