Mit Abenteuer- und Entdeckerlust zu Neuer Musik

21.05.2024
Interview
© Matthieu-Rynkiewicz

Am 24. Mai um 19:30 Uhr steht mit „Doppler 15“ das erste Konzert des neu formierten Ensembles für Neue Musik im Solitär auf dem Programm. Kai Röhrig, der musikalische Leiter des Ensembles, die Flötistin Leona Rajakowitsch und die Komponistin Anna Skladannaya (beide Studierende und Gründungsmitglieder des Ensembles) im Gespräch über die Entstehung, aktuelle Projekte, Herausforderungen und die Jagd nach neuen unerhörten Klangwelten.

Kai, du kommst aus dem Operndepartment und bist der neue Leiter des neuen Ensembles für zeitgenössische Musik – wie kam es zur „departmentübergreifenden“ Zusammenarbeit? 

Kai Röhrig: Neben dem Musiktheater hat mich in meiner Laufbahn als Dirigent stets die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik und – nicht unerheblich – mit lebenden Komponist*innen gereizt. Geprägt haben mich da sicherlich meine Lehrer Michael Gielen und Rolf Liebermann, für die neue Musik wie selbstverständlich zum Berufsalltag gehörte. Meine Master-Studierenden in der Opernklasse kommen während ihrer Zeit bei uns nicht um die zeitgenössische Musik herum. Gemeinsam mit meiner Kollegin, der Regisseurin Florentine Klepper, sind wir nachdrücklich daran interessiert, im Bereich das Musiktheaters nach vorne zu schauen und auch unsere Studierenden zu ermutigen, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Kaum eine Kunstgattung ist heutzutage so rückwärtsgewandt wie die Oper. In dieser ästhetischen Haltung kann nicht die Zukunft unserer Branche liegen. Gerade an einer Kunstuniversität sind wir doch verpflichtet, einen Beitrag zur Transformation der Gattung zu leisten.

Was reizt dich als Dirigent an zeitgenössischer Musik? 

Röhrig: Einerseits die Möglichkeit des Dialoges mit der nächsten Generation von Komponist*innen, andererseits die Bereicherung der eigenen künstlerischen Arbeit, die Schärfung des Blickes auf klassische Partituren und auch die Entdeckerlust, die Suche nach Talenten und die Jagd nach neuen unerhörten Klangwelten und spannenden kompositorischen Ideen.

Ist das Ensemble auch als Stärkung des Stellenwerts der zeitgenössischen Musik am Mozarteum zu verstehen?

Röhrig: Ich bin inzwischen seit dreißig Jahren an der Universität Mozarteum und habe in all der Zeit stets eine sehr ernsthafte und intensive Auseinandersetzung mit Neuer Musik erlebt. Unsere renommierten Kompositionslehrenden (in der Vergangenheit wie in der Gegenwart) sowie die vielen erfolgreichen Absolvent*innen belegen dies nachdrücklich. Dennoch muss die Neue Musik fortwährend um Sichtbarkeit und Wahrnehmung kämpfen. Leider spielt zeitgenössische Musik auf unseren Lehrplänen – entsprechend dem internationalen Klassikbetrieb – oft nur eine untergeordnete Rolle. Aktuell nehme ich allerdings in vielen Departments der Universität eine erfreuliche Aufbruchstimmung wahr. Das Institut für Neue Musik ist gut aufgestellt, der internationale Masterstudiengang Neue Musik entwickelt sich fortwährend weiter, neue Formate, Festivals und Kooperationen befördern eine Vernetzung innerhalb der Musikszene. Einige der neu verpflichteten Lehrenden am Haus sehen im zeitgenössischen Repertoire einen ihrer Unterrichtsschwerpunkte. Vor diesem Hintergrund wird auch das neue Ensemble seinen Beitrag leisten, innerhalb und auch außerhalb der Universität die Wahrnehmung zeitgenössischer Musik zu steigern.

Schwerpunkte sind u.a. die Uraufführungen von Studierenden aus den Kompositionsklassen – ist das eine Art „Luxus“ für die Studierenden?

Anna Skladannaya: Das ist sogar mehr als Luxus! Die Möglichkeit, ein eigenes Werk mit langer Vorbereitungszeit und mehreren Proben gemeinsam zu erarbeiten, hatten nicht alle großen Komponist*innen der Musikgeschichte. Für uns Komponist*innen, die am Anfang ihres Weges stehen, bietet die Universität mit der Gründung dieses Ensembles eine Möglichkeit, unsere Werke von Beginn an live zu erleben.

Röhrig: Was mir dabei besonders am Herzen liegt, ist die Vernetzung innerhalb des Hauses. Wir möchten unbedingt die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen komponierenden und musizierenden Studierenden fördern. Es soll also der Entstehungsprozess nicht vollständig abgekoppelt sein von der Arbeit der Ausführenden. Gleichzeitig soll aber auch die Einstudierung und Erarbeitung der Partituren keine Serviceleistung darstellen. Gegenseitiges Verständnis und die Lust auf den Dialog soll unbedingt gefördert werden. Hier sehe ich als Lehrender einen Teil meiner Aufgabe. Neben der Aufführung der neuen Werke versuchen wir hier also, eine wichtige Erfahrung zu vermitteln: Lasst euch aufeinander ein und lernt voneinander!

Worauf freut ihr euch bei dieser Zusammenarbeit am meisten?

Skladannaya: Ich freue mich besonders, meinem Werk Luzider Traum beim Erwachen zusehen zu dürfen, auf die Proben mit tollen Musiker*innen und auf die Möglichkeit, bei der Uraufführung dabei zu sein.

Leona Rajakowitsch: Aufs gemeinsame kochen! Auf eine Art und Weise ähnelt der Prozess, den wir als Ensemble durchmachen, der Kreation eines Gerichtes: Angefangen von der Konzeption bis zum fertigen Anrichten. Wir sind viele Köche, allesamt Meister in ihrem Gebiet, die ihr Instrument perfekt beherrschen, neugierig auf neue Herausforderungen. Dann gibt es Geschmackskünstler*innen, deren gewagte und ungehörte Visionen durch ihre Kompositionen nun in die Wirklichkeit geholt werden. Aber alles das muss nun mit Weitsicht, unendlich viel Logistik und Taktgefühl sorgfältig angeleitet werden – hier kommt also Kai ins Spiel, unser Chefkoch. Das Beste daran: wir stehen alle gemeinsam in der Küche! Es wird probiert, lautstark über den Geschmack diskutiert und so einiges „nachgepfeffert“ – und dafür gesorgt, dass zu viele Köche den Brei nicht verderben. Letztendlich präsentieren wir unter der Servierhaube ein komplexes Gericht aus Inspiration, künstlerischer Fertigkeit und fruchtbarer Kollaboration höchster Qualität.

 

Lesetipp: Einen ausführlichen Bericht zum neu gegründeten Ensemble für Neue Musik gibt's in den nächsten Uni-Nachrichten am 8. Juni 2024 zu lesen!

Zur Veranstaltung

  • 24.5.2024
    19:30 Uhr
    Solitär
    Doppler 15
    Im Sommersemester 2024 entsteht an der Universität Mozarteum ein neues Ensemble für zeitgenössische Musik. Programmatischer Schwerpunkt der Formation werden Uraufführungen von Studierenden der Kompositionsklassen sein.