Unbeschreiblich weiblich?!
Universitätsstraße 1, 6020 Innsbruck
Fachbereich Musikalische Ethnologie / Department Musikwissenschaft
Institut für Musikwissenschaft der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Harfenlabor
Haus der Musik Innsbruck
Wir verwenden den Ausdruck, der auch der 3. Harfenbiennale Innsbruck (4. – 7. Dezember 2025) als Leitmotiv dient, um im Rahmen eines wissenschaftlich orientierten Symposiums – offen sowohl für die interessierte Öffentlichkeit als auch für Fachkolleginnen und -kollegen sowie Musikerinnen und Musiker – Schlaglichter auf die vielfältigen Rollen von Frauen in der Gestaltung von Musikkultur zu werfen: sowohl aus allgemeiner Perspektive als auch mit besonderem Fokus auf die Harfe, die lange Zeit als „typisches Fraueninstrument“ galt, sowie auf mit ihr verwandte Instrumente.
Das soziale Spektrum musizierender Frauen in der Geschichte ist breit und umfasst Spielfrauen des Mittelalters am gesellschaftlichen Rand ebenso wie Nonnen, Adelige, reisende Virtuosinnen und Frauenmusikensembles. Von adeligen Höfen und aristokratischen Salons bis hin zur Organisation bürgerlicher Kulturvereine waren die Beiträge von Frauen zum Musikleben oft einflussreich, wurden jedoch oft nur unzureichend gewürdigt. Berücksichtigt wird auch die populäre Seite weiblichen Musizierens – etwa am Beispiel der alpenländischen Volksharfe, deren Aufstieg zum anerkannten „Volksmusikinstrument“ maßgeblich dem Engagement von Frauen zu verdanken ist, oder am Beispiel der „böhmischen Harfenistinnen“.
Moderation: Thomas Nußbaumer
Programm:
9:00 Uhr: Empfang und Begrüßung
9.30 Uhr: Irene Suchy (Wien)
Fauenrechte / Frauenmusikgeschichte
10.15 Uhr: Julia Hinterberger (Salzburg)
Anständig – randständig. Harfenistinnen im Spannungsfeld normierter Lebenswelten
- - - Pause - - -
11.30 Uhr: Tomáš Slavický (Praha)
Von Bewunderung zu Bedauern. Veränderungen der Begriffe „Böhmische Harfe“ und „Böhmische Harfenistin“ im langen 19. Jahrhundert.
- - - Pause - - -
14.00 Uhr: Franziska Fleischanderl (Salzburg)
Mädchen, Gräfinnen, Nonnen und reisende Virtuosinnen. Weibliche Salteriopraxis im Italien des 18. Jahrhunderts
14.45 Uhr: Milijana Pavlović (Innsbruck)
„Dergleichen Stimmen und Colloraturn, ich nie gehört“: Musica secreta am Hof der Este im Ferrara der Renaissance
15.30 Uhr: Intervallo mit Harfenschülerinnen der Landesmusikschule Ötztal
Anna Schöpf (Huben), Valentina Scheiber (Längenfeld); Lehrerin: Theresa Schapfl
- - - Pause - - -
16.15 Uhr: Thomas Hochradner (Salzburg)
Berta Höller und die Etablierung des Volksharfenspiels in Salzburg
Frauenrechte / Frauenmusikgeschichte
(Irene Suchy)
Im Produktionsfeld Musik spielen Frauen in jeder Funktion eine untergeordnete Rolle. Die Gründe dafür sind vielfältig: Aufgrund der Tantiemen-Zuweisung und der Eingrenzung der Urheber:innenschaft auf nur eine Person ist jegliche weitere produktive Tätigkeit der Vermittlung, der Mitarbeit, des Empfehlens, der Finanzierung wertlos. All jene Tätigkeiten, die nicht im Rahmen eines Verlags oder einer Agentur ausgeführt sind, werden in einer hierarchisierenden Sichtweise außerhalb einer schwammig definierten „Professionalität“ verortet, Frauen wird die Teilhabe abgesprochen, selbst wenn sie nachweisbar ist.
Beispiele: Die Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien durch eine Gesellschaft adeliger Frauen, vollzogen durch deren Sekretär Sonnleithner; die Gründung der Salzburger Festspiele, wesentlich von Berta Zuckerkandl ermöglicht, was aber selbst von den Präsidentinnen klein geredet wird; die Vermittlungstätigkeit einer Alma Mahler, einer Lilly Lieser, die weit über das Finanzielle hinaus zu Karrieren von Schönberg, Berg etc. beitrug.
Ausgangspunkt für eine Änderung dieser Sichtweise wäre die Akzeptanz eines Produktionsfeldes Musik, in dem es eine Vielzahl von Aktivitäten gibt, die zum Erfolg einer musikschaffenden Karriere beitragen. Aufschluss über die Verbindungen in verschiedenen Stärkegraden geben Netzwerk-Biografien, wie jene über Veza Canetti, oder die Ariadne Datenbank etc. In dieser Beziehungsanalyse ist abseits der Funktionen, der gesellschaftlichen Position etc. zu erkennen, welche Möglichkeiten den Mitwirkenden zur Verfügung standen.
Der rechtliche Aktionsradius muss untersucht werden: Unter welchen Voraussetzungen konnten Frauen auf ihr Vermögen zugreifen und es verwenden? Welche Möglichkeiten der politischen Mitarbeit waren erlaubt, welche Berufsmöglichkeiten? Welche musikalischen Ausbildungen standen ihnen offen, wer setzte sich für ihre Ausbildung ein und ermöglichte sie finanziell? Welche Komponistinnen profitierten von höheren Schulen, von der Möglichkeit der Ausbildung an Konservatorien, etwa jenem der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, unter welchen Umständen konnten sie Orchester gründen und leiten sowie Musikschulen führen?
Eine These soll untersucht werden: Das 19. Jahrhundert eröffnete den musikschaffenden Frauen Aktionsräume, die ihnen das 20. Jahrhundert wieder verschloss. Damenseminare Schönbergs und Frauenkonzerte im Brahmssaal in Wien festigten eine Hierarchie, die bis heute besteht. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff „konservativ“ zu untersuchen. Nicht nur der Austrofaschismus und die NS-Zeit vollzogen auf den Ebenen der Berufstätigkeit, der universitären Bildung etc. einen Krieg gegen die Frauen, auch die Avantgarde-Bewegungen der Kunst – das Bauhaus, Dada etc. – erdachten sich fantasievoll und fintenreich Hürden für künstlerisch tätige Frauen aus. Der langen österreichischen Nachkriegszeit war eine Änderung in Richtung Gender-Balance kein Anliegen.
Dr.in phil. Mag.a art. Irene Suchy, gebürtige Wienerin, hat Studien der Musikwissenschaft und Germanistik, der Musikpädagogik und Instrumentalmusikpädagogik Cello in Wien und Tokyo absolviert. Sie ist Musikredakteurin bei Ö1, Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten, Ausstellungsmacherin, Moderatorin, Dramaturgin, Librettistin und Literatin.
Publikationen zur neueren Musikgeschichte in Österreich – Paul Wittgenstein (2006), Otto M. Zykan (2008) und Friedrich Gulda (2010) –, zur Geschichte der abendländischen Musik in Japan, zu NS-Verfolgten und zur NS-Musikexilgeschichte, zu feministischer Musikologie sowie zur Zeitgeschichte – Strasshof an der Nordbahn (2012). Weitere Werke: Henzes Utopie. Jugend. Musik. Fest. Deutschlandsberg 1984–2003 (2013) und eine literarische Litanei gottloser Gebete (2015), Schmäh als ästhetische Strategie der Wiener Avantgarde (2016), die Bände ZYKAN STAAT KUNST und ZYKAN WEISE POESIE. Gemeinsam mit Michael Mautner hat sie Staatsoperette – die Austrotragödie, Bühnenfassung nach Staatsoperette von Zykan/Novotny, erarbeitet.
Seit 2018 betreibt sie mit dem Team ihres Vereins maezenatentum.at intensive künstlerische Forschungen an Komponistinnen. Einer der künstlerischen Outputs ist das Programm Neujahrskonzert/Tanzmusik der Komponistinnen. Seit 2020 leitet sie gemeinsam mit Michael Mautner das Ensemble REIHE Zykan + (https://www.reihezykanplus.org/), ein Vokal-Instrumentalensemble für höchste Ansprüche in Neuer Musik. Seit 2003 kuratiert sie die Konzertreihe Close up – Musik nah und neu im MuTh, Konzertsaal am Wiener Augarten mit sechs bis sieben Doppelkonzerten für (erwachsenes) Publikum und Schulklassen.
Irene Suchy ist Trägerin des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich und des Landes Niederösterreich, des Bank Austria Kunstpreises für Kulturjournalismus und des Karl Renner Preises. Sie ist Kulturjournalistin des Jahres 2017.
Anständig – randständig. Harfenistinnen im Spannungsfeld normierter Lebenswelten
(Julia Hinterberger)
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Harfe zu einem ambivalenten Symbol weiblicher Musikalität. Während das Instrument im bürgerlichen Milieu als Sinnbild weiblicher Anmut und moralischer Erziehung galt und zumindest vereinzelt Frauen die Möglichkeit zur Professionalisierung im öffentlichen institutionalisierten Musikbetrieb bot, existierte abseits einer elitären Musikkultur die Parallelwelt der sogenannten Harfenmädchen. Diese aus einfachen Verhältnissen stammenden, mit ihrem mobilen Erwerbsinstrument durch die Welt ziehenden Musikantinnen wurden nicht selten mit Vagantentum, Armut und Unsittlichkeit assoziiert. Gleichzeitig eröffneten Mobilität und oftmals auch musikalisches Können diesen Frauen alternative Räume musikkulturellen Handelns abseits etablierter bürgerlicher Wertesysteme.
Der Vortrag beleuchtet die sozialen und geschlechtsspezifischen Dynamiken, in denen sich weibliche Harfenspielerinnen zwischen Idealbild und Marginalisierung bewegten, und diskutiert die Rolle von Gender, Mobilität und sozialen Normen bei der Wahrnehmung und Positionierung dieser Musikerinnen.
Assoz.-Prof.in Mag.a Dr.in Julia Hinterberger ist Lehrende an der Universität Mozarteum Salzburg. Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Salzburger Musikgeschichte, Österreichische Musikgeschichte, Musik in Diktaturen mit Fokus auf Austrofaschismus und Nationalsozialismus, Institutionengeschichte, Biografieforschung, Intermedialitätsforschung mit besonderer Berücksichtigung der Schnittstelle Musik und Literatur sowie Musik und Gender. Habilitation im Frühjahr 2024, Titel der Habilitationsschrift: Mozart and beyond. Musik und Identität am Beispiel der Stadt Salzburg 1914–1956. Zudem ist Julia Hinterberger Herausgeberin der Geschichte der Universität Mozarteum von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bislang erschienene Bände: Von der Musikschule zum Konservatorium. Das Mozarteum 1841–1922 (2017) sowie Vom Konservatorium zur Akademie. Das Mozarteum 1922–1953 (2022).
Von Bewunderung zu Bedauern. Veränderungen der Begriffe „Böhmische Harfe“ und „Böhmische Harfenistin“ im langen 19. Jahrhundert
(Tomáš Slavický)
Die böhmische Harfe, Harfenisten und insbesondere Harfenistinnen waren im 19. Jahrhundert allgegenwärtig, vielleicht in ganz Europa. Aus der zeitgenössischen Literatur erfahren wir viel mehr über diese Geschichte als aus musikalischen Quellen. Im Referat geht es zunächst um die böhmische Harfe – wie sich der Harfengebrauch in Böhmen entwickelte und inwieweit man von einer typisch böhmischen Hakenharfen-Bauweise sprechen kann. Im Fokus steht aber auch das Leben böhmischer Wanderharfenistinnen. Eine wichtige Rolle in diesem Mosaik aus Lebensgeschichten spielen Umstände, wie die Vorteile der Harfe als Hausinstrument, der Virtuosenkult, die Musikausbildung an Landschulen, der Niedergang der heimischen Textilindustrie und die Armut im nordböhmischen Gebirge, das Hungerjahr 1848 und das Kriegsjahr 1866, oder die neuen Möglichkeiten des Reisens mit der Eisenbahn. In der Belletristik und in Gedichten erlebte die Harfe im 19. Jahrhundert großes Prestige und dessen Verlust. Auch heute noch können wir in den Geschichten böhmischer Harfenistinnen neben bewunderten Künstlerinnen Opfer von Armut und widrigen historischen Ereignissen oder umgekehrt Vorbilder mutiger und unabhängiger Frauen entdecken.
Dr. Tomáš Slavický studierte Musikwissenschaft in Prag (PhDr. 1996, Ph.D. 2002). Von 1996 bis 2018 arbeitete er am Institut für Musikwissenschaft der Akademie der Wissenschaften in Prag, seit 2002 ist er auch am Institut für Ethnologie tätig, wo er an interdisziplinären Projekten zur Musikkultur Böhmens und Mitteleuropas im 17. bis 19. Jahrhundert teilnahm, wie z. B. an der Gestaltung interdisziplinärer kritischer Ausgaben (Prager Barockkomponisten, Hymnologien, Bänkellieder und wandernde Melodien). Seit 2018 arbeitet er als Kurator und Forscher am Nationalmuseum – Tschechisches Museum der Musik. Während seiner Tätigkeit in der Abteilung Musikinstrumente (2018–2020) hatte er Gelegenheit, die österreichisch-böhmische Tradition des Blechblasinstrumentenbaus und die Geschichte der böhmischen Harfe zu erforschen. Derzeit beschäftigt er sich mit der Verwaltung des Nachlassfonds und der Erforschung der Musikkultur Mitteleuropas im 19. und 20. Jahrhundert.
Mädchen, Gräfinnen, Nonnen und reisende Virtuosinnen. Weibliche Salteriopraxis im Italien des 18. Jahrhunderts
(Franziska Fleischanderl)
Die traditionelle Geschichtsschreibung zeichnet ein verzerrtes Bild des barocken Salteriospiels in Italien: In den ersten umfassenden Studien konnten insgesamt 120 namentlich bekannte Salteriospieler identifiziert werden – darunter lediglich fünf Frauen. Dabei war das Salterio keineswegs ein vorwiegend von Männern gespieltes Instrument. Sein zarter Klang, das zierliche Format und die dekorative Erscheinung machten es geradezu ideal, dem damaligen Rollenbild von Frauen der gehobenen Gesellschaft zu entsprechen.
Auch wenn die Zahl namentlich überlieferter Salteriospielerinnen gering ist, sind ihre Erwähnungen umso aussagekräftiger. Sie verweisen auf eine bislang wenig dokumentierte, jedoch weit verbreitete Praxis. In meinem Vortrag möchte ich den unterschiedlichen Kontexten weiblicher Salteriopraxis nachspüren. Diese führen uns unter anderem zum Ospedale della Pietà in Venedig, an verschiedene Adelshöfe Italiens, in benediktinische Frauenklöster sowie zu einigen wenigen, dafür umso bemerkenswerteren Virtuosinnen, die im 18. Jahrhundert eine internationale, freischaffende Karriere als Salteriospielerinnen realisierten.
Dr.in Franziska Fleischanderl spielt ein originales Salterio vom Jahr 1725, das von Michele Barbi in Rom gebaut wurde. Aufgrund ihrer jahrelangen Forschungen in Italien ist sie weltweit die erste Musikerin, die das barocke Salterio in all seinen historischen Spieltechniken – dem battuto-Spiel mit den Hämmerchen, dem Finger-Pizzicato und dem Plektren-Pizzicato – wieder erklingen lässt. Damit revolutionierte sie grundlegend die bisherige Aufführungspraxis des barocken Salterios und wurde Pionierin ihres Faches. Sie studierte Hackbrett in Linz und München sowie Neue und Alte Musik in Basel. 2021 promovierte sie an der Leiden University mit ihrer Dissertation A ponti d’oro e a cento corde in seno – History, repertoire and playing techniques of the Italian salterio in the eighteenth century.
Franziska Fleischanderl gastierte mit ihrem Barbi-Salterio an allen großen Festivals für Alte Musik, bespielte Häuser wie das Concertgebouw Amsterdam oder die Berliner Staatsoper als Solistin und arbeitet regelmäßig mit Barockorchestern wie La Cetra Basel, Concentus Musicus Wien oder Akademie für Alte Musik Berlin zusammen. 2024 wurde sie mit dem Opus Klassik in der Kategorie „Beste Konzerteinspielung des Jahres“ ausgezeichnet.
„Dergleichen Stimmen und Colloraturn, ich nie gehört“: Musica secreta am Hof der Este im Ferrara der Renaissance
(Milijana Pavlović)
Im italienischen Renaissance-Juwel Ferrara stellte eine Gruppe jüngerer Frauen das Juwel des Hofs der Familie Este dar – nicht aufgrund ihrer Schönheit, sondern weil sie auf einem sehr hohen Niveau musizierten. Die besten Madrigalisten der Zeit schrieben nur für sie, andere Höfe entsandten Spione, um etwas über ihre Musik zu erfahren. Adelige, Komponisten, alle kämpften darum, vom Herzog Alfonso II. d’Este und seiner Frau Margherita Gonzaga eingeladen zu werden, um einer der Aufführungen ihrer so genannten „Musica secreta“ beiwohnen zu können. Das Ensemble, in dessen berühmtester Besetzung die Sängerin und Harfenistin Laura Peverara wirkte, diente somit als prestigeträchtiges Schmuckstück des Hofes, besaß aber auch – viel wichtiger für die Präsenz von Frauen in der Musik als aktive Gestalterin und nicht passive Teilnehmerin – eine bahnbrechende Vorreiterrolle. Durch seine Existenz und Bravour entfaltete das Ensemble weit über seine ursprüngliche Funktion der höfischen Unterhaltung hinaus eine nachhaltige Wirkung, die sich auch noch Jahrzehnte und Jahrhunderte nach seiner Gründung als bedeutsam für das musikalische Wirken von Frauen erwies.
Dr.in Milijana Pavlović ist Musikwissenschaftlerin am Institut für Musikwissenschaft der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. In Italien promovierte sie 2009 mit einer Arbeit über Gustav Mahler, seit 2013 ist sie in Innsbruck tätig. Mitgründerin und stellvertretende Leiterin der Forschungsstelle Gustav Mahler Innsbruck/Toblach. Forschungsschwerpunkte u.a. historischer musikbezogener Antisemitismus, Musik und Gewalt, Musik und Literatur. Arbeitet gerade an ihrem Habilitationsprojekt über die Musik als Mittel des Genozids in der Schoa.
Berta Höller und die Etablierung des Volksharfenspiels in Salzburg
(Thomas Hochradner)
Berta Höller (1923‒2014), geborene Blaha, gebürtig aus der Stadt Salzburg, prägte wie keine Zweite die Belebung des Spiels auf der Bauernharfe im Salzburger Land und auch im nahen Oberösterreich. Von Tobi Reiser im Rahmen seiner Gauschulungsarbeit für die Volksmusik interessiert, ließ sie sich während ihres Studiums der Konzertharfe an der damaligen Reichshochschule für Musik Mozarteum zur Zeit des Zweiten Weltkriegs von Cesar Bresgen für das Spiel der Bauernharfe begeistern. Über Tobi Reiser, der sie nach dem Krieg als Harfenistin für die ersten Adventsingen engagierte, fand sich Berta Höller bald im Mittelpunkt der regionalen Volksmusikszene wieder und setzte neben zahlreichen Spielereien entscheidende Akzente für die Verbreitung des Instrumentes. So entstand eine Harfenschule (Musikverlag Preißler, 1963), wurden Harfenkurse in Osttirol, Niederösterreich und der Steiermark veranstaltet, wobei für Berta Höller – wie auch im Unterricht – eine Orientierung an der Konzertharfe stets den Ausgangspunkt ihrer Aktivität vorgab. Es könnte spannend sein, ihr Wirken und ihre Ausstrahlung mit dem Lebensweg von Lies Pichl zu vergleichen, die für das Harfenspiel in Tirol in ähnlicher Weise Bedeutung gewonnen hat.
Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Hochradner ist seit 2011 Leiter des Arbeitsschwerpunktes Salzburger Musikgeschichte an der Universität Mozarteum Salzburg. Er forscht und publiziert in den Bereichen Musikphilologie, Barockmusik, Kirchenmusik, Alpenländische Volksmusik und Musikalische Rezeptionsgeschichte, war Mitbegründer und von 2006–2011 erster Leiter des Instituts für Musikalische Rezeptions- und Interpretationsgeschichte, dem er weiterhin angehört, und leitete von 2014–2021 das Department für Musikwissenschaft.
Hochradner hat zahlreiche Fachaufsätze verfasst, ist Mitglied in diversen Editorial Boards und Herausgeber eine Reihe von Tagungsbänden, darüber hinaus Herausgeber des Thematischen Verzeichnisses der Werke von Johann Joseph Fux (Band 1, 2016) und der Anthologie Stille Nacht. Das Buch zum Lied (2018). Als Veranstalter organisierte er über zwanzig Symposien, darunter als Conference Chair die 16th Biennial International Conference on Baroque Music (Salzburg, 9. – 13. Juli 2014) und 2023 – gemeinsam mit Michaela Schwarzbauer – das Symposion Klosterkomponist im 20. Jahrhundert im Stift Wilhering bei Linz.
Moderation: Thomas Nußbaumer
Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Nußbaumer, geb. in Hall in Tirol. Studium der Musikwissenschaft und Germanistik an der Universität Innsbruck, Promotion 1998, Habilitation 2010 an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im Bereich Volksmusikforschung. Seit 1995 Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg. Leiter des Fachbereichs Musikalische Ethnologie am Department für Musikwissenschaft. Zahlreiche Forschungen und Publikationen zu Volksmusik in Westösterreich und Südtirol, Musik und Brauch, Fasnacht, Musik im NS, Musik der Old Order Amish in Iowa.