Mozart-Interpretationen in Tonaufnahmen bis 1950

Mi. 19.11.2025—Fr. 21.11.2025
Symposium
Eintritt frei!
Die Tonaufnahme und -wiedergabe veränderte die Hör- und Musiziergewohnheiten, die Aufführungspraxis und die Sozialstruktur der musikalischen Welt grundlegend; Musizieren wurde auf eine ganz neue Art wiederhol- und vergleichbar.

Der im 19. Jahrhundert etablierte Begriff der Interpretation als praktische Tätigkeit bekam erst durch die Schallplatte seine spätere Bedeutung und Berechtigung. Zu den frühesten aufgenommenen Musikstücken gehören auch Kompositionen Mozarts; zahlreiche bedeutende Interpret*innen sind mit seinen Werken auf Schallplatten oder Klavierrollen in Erscheinung getreten. 

Das Symposium thematisiert – im internationalen Austausch von Erkenntnissen und Forschungsergebnissen namhafter Expert*innen der Interpretationsforschung sowie der Mozart-Forschung – für die aktuelle Diskussion besonders wichtige musikalische, soziale, wirtschaftsgeschichtliche, tontechnische und archivalische Fragen zu frühen Mozart-Tonaufnahmen.

Mit Beiträgen von Klaus Aringer ● Julian Caskel ● Ioana Geanta ● Thomas Glaser ● Sarah Haslinger ● Katarzyna Maria Hatalak ● Kateryna Ielysieieva ● Mateusz Pawel Kawa ● Lars-Edvard Laubhold ● Ulrich Leisinger ● Agata Katarzyna Meissner ● Elisabeth Reisinger ● Peter Revers ● Rainer J. Schwob ● Dominik Šedivý ● László Stachó ● Frithjof Vollmer ● Thomas Wozonig ● Pietro Zappalà ● Karina Zybina


Tagungsleitung:
Dr. Rainer J. Schwob (MOZ); Dr. Ulrich Leisinger (ISM); Prof.Dr. Thomas Hochradner (MOZ); Dr. Ioana Geanta (ISM)

Sektion „Salzburger Mozartstil?“

20. November 2025, 14:30 bis 19:00 Uhr


Die Vorträge im Überblick


Vorsitz: Thomas Hochradner

  • 14:30 Uhr: Thomas Glaser - Richard Strauss’ annotierte Partituren und Einspielungen von Werken Wolfgang Amadé Mozarts
  • 15:00 Uhr: Sarah Haslinger - „als ‚Salzburger Tradition‘ in der ganzen Welt berühmt“. Bernhard Paumgartners Versuch der Etablierung eines ‚Salzburger Mozart-Stils‘
  • 15:30 Uhr: Dominik Šedivý - Bernhard Paumgartners Vision von einem Salzburger Mozart-Stil
  • Diskussion


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Vorsitz: Ulrich Leisinger

  • 17:00 Uhr: Thomas Wozonig - „Mein Mozart-Ideal ist bestimmt durch das Bild des Revolutionärs“. Karl Böhm als Interpret des ‚Don Giovanni‘
  • 17:30 Uhr: Peter Revers - Sandor Vegh und die Frage des Salzburger Mozartstils
  • 18:00 Uhr: Klaus Aringer - Harnoncourt in Salzburg – Wege zu einem neuen Mozart-Verständnis?
  • Diskussion
  • Ende gegen 19:00 Uhr

Klaus Aringer
Harnoncourt in Salzburg – Wege zu einem neuen Mozart-Verständnis?

Salzburg war für die Künstlerbiographie des Dirigenten und Musikdenkers Nikolaus Harnoncourt ein zentraler Ort und die Musik des Salzburgers Wolfgang Amadé Mozart spielte darin eine Hauptrolle. Von 19731992 unterrichtete Harnoncourt am Mozarteum, 1980 debütierte er als Dirigent bei der Mozartwoche, von 19931996 bzw. 20022014 rückten die Salzburger Festspiele ins Zentrum seiner künstlerischen Tätigkeit. In den Mozartjahren 1991 und 2006 hielt Harnoncourt in Salzburg weithin beachtete Festreden, die kaum weniger als seine Aufführungen in revolutionärer Weise das liebgewonnene Bild von Mozarts Musik aufbrachen.

Der Vortrag widmet sich Harnoncourts Salzburger Mozart-Interpretationen und nimmt exemplarisch einzelne Aufführungen unter die Lupe. Dabei werden ästhetische, aufführungsanalytische und rezeptionsgeschichtliche Fragestellungen miteinander verknüpft: Welche Prinzipien lagen Harnoncourts Mozart-Verständnis zugrunde und auf welche Weise wirkten sie sich bei den von ihm geleiteten Orchestern aus? Welchen Beitrag leistete er zur Neubewertung von Werken, die zuvor kaum oder weniger prominent im Repertoire vertreten waren? Anhand von Quellen (Dirigierpartituren, Probenmitschnitten programmatischen Texten) und Rezensionen wird Harnoncourts Rolle als Pionier der Mozartinterpretation mit historischen Instrumenten sowie als Reformer des Mozartspiels traditioneller Orchester beleuchtet und sein Einfluss auf das Mozart-Bild des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts reflektiert.

Klaus Aringer ist seit 2005 Universitätsprofessor für Historische Musikwissenschaft an der Kunstuniversität Graz. Er studierte Musikwissenschaft, Geschichte und ältere deutsche Sprache und Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität München (M.A. 1992 und Dr. phil. 1997). Zwischen 1996 und 2005 war er wissenschaftlicher Assistent und Kurator der Instrumentensammlung Stiftung Dr. h.c. Karl Ventzke an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, wo er sich 2003 für das Fach Musikwissenschaft habilitierte. Gastweise lehrte er auch an den Universitäten Graz und Wien. Seit 2019 ist er Mitglied der Leitenden Kommission der Gesellschaft zur Herausgabe von Denkmälern der Tonkunst in Österreich, seit 2020 leitet er die Liszt Akademie Raiding. Schwerpunkte seiner Forschungs- und Publikationstätigkeit bilden die Musik J. S. Bachs und der Wiener Klassiker, die Geschichte der Musikinstrumente, der Instrumentation und Instrumentationslehre sowie Fragen von Aufführungspraxis und Interpretation.

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Thomas Glaser
Richard Strauss’ annotierte Partituren und Einspielungen von Werken Wolfgang Amadé Mozarts

Strauss’ Wirken als Mozart-Interpret ist sowohl durch schriftliche Zeugnisse als auch Tonaufnahmen vergleichsweise gut dokumentiert. Das Richard-Strauss-Archiv in Garmisch-Partenkirchen verwahrt nachgelassene Partituren von Don Giovanni und Così fan tutte sowie der Symphonien KV 201, 385, 504, 550 und 551, in denen sich aufführungsbezogene, in Quantität und Qualität divergierende Eintragungen von Strauss’ Hand zur Vortragsgestaltung finden. Zusammen mit Strauss’ Einspielungen der beiden letztgenannten Symphonien (KV 550 in zwei Aufnahmen), von KV 543 sowie der Zauberflöte-Ouvertüre (Staatskapelle Berlin, 1926–1928) und von Ausschnitten aus Strauss’ Idomeneo-Bearbeitung (Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, 1941) ergibt sich eine solide Quellenbasis zur Untersuchung von Strauss’ Interpretationskonzepten. In beiden Medien bündelt sich Strauss’ Mozart-Exegese wie in einem Brennspiegel.

Für die Interpretationsforschung können die verschiedenen Quellentypen durch Verzahnung theoretisch-hermeneutischer Analysen der eingerichteten Partituren und computergestützter Auswertung der Tonaufnahmen fruchtbar gemacht werden. Im Fokus des Referats stehen neben Strauss’ individuellen Lesarten von Formmodellen und architektonischen Prinzipien die Vielzahl der eingetragenen Tempo-, Dynamik-, Artikulations- und Phrasierungsangaben und deren klangliche Realisierung. Abgeglichen werden die Ergebnisse mit weiteren Dokumenten zur Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte der genannten Werke sowie zu Strauss als Mozart-Interpret.

Thomas Glaser studierte Musikwissenschaft, Neuere Geschichte sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Saarbrücken und Paris und wurde an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien mit einer Arbeit über den Dirigenten René Leibowitz promoviert. Nach Stationen als Senior Scientist an der Kunstuniversität Graz ist er seit 2023 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Richard-Strauss-Institut in Garmisch-Partenkirchen. Daneben nimmt er regelmäßig universitäre Lehraufträge wahr und ist im Vorstand der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft tätig.

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Sarah Haslinger
„als ‚Salzburger Tradition‘ in der ganzen Welt berühmt“. Bernhard Paumgartners Versuch der Etablierung eines ‚Salzburger Mozart-Stils‘

„Der Dirigent hat mit seinen fließenden Bewegungen nur den unverfälschten Mozartstil im Auge“, schrieb das Linzer Volksblatt am 26. August 1946 über die dritte, von Bernhard Paumgartner geleitete und den Wiener Philharmonikern gespielte Serenade bei den Salzburger Festspielen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Mozartforscher, Musikschriftsteller und Dirigent sowie langjährige Leiter der Ausbildungsstätte Mozarteum bereits seit längerem mit einer für Salzburg spezifischen Aufführungsweise Mozarts auseinandergesetzt und damit begonnen, seine Vorstellungen eines sogenannten „Salzburger Mozart-Stils“ zu formulieren.

Der Vortrag geht der Frage nach, was Paumgartner unter diesem Stil verstand, mit welchen Mitteln er ihn in Salzburg verankern wollte und wie „Paumgartners Mozart-Stil“ in zeitgenössischen Printmedien wahrgenommen wurde. Darüber hinaus wird untersucht, ob – und in welcher Weise – sich Spuren dieser ‚Aufführungsweise‘ bis heute im Salzburger Musikleben finden lassen. Die Ergebnisse laden dazu ein, über die Wirkmächtigkeit individueller Interpretationsideale und deren Wandel im historischen Kontext neu nachzudenken.

Mag.a Sarah Haslinger ist seit 2016 Senior Scientist für Salzburger Musikgeschichte an der Universität Mozarteum Salzburg und zugleich Mitglied des „Arbeitsschwerpunktes Salzburger Musikgeschichte“, als das sie an mehreren Publikationen zu diesem Thema – etwa einem Buchprojekt über die Geschichte des Mozarteums – mitarbeitet sowie regelmäßige Führungen zu musikbezogenen Themen in Salzburg koordiniert. In ihren Forschungsschwerpunkten Salzburger Musikgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert sowie Institutionengeschichte und Biographieforschung ist auch das Thema ihrer an der Universität Mozarteum verfassten Dissertation verortet, die sich mit Bernhard Paumgartner und den Salzburger Festspielen auseinandersetzt. Parallel widmet sich aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit und Klimawandel im musikwissenschaftlichen Diskurs.

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Peter Revers
Sandor Vegh und die Frage des Salzburger Mozartstils

In der Geschichte einer Salzburger Tradition der Mozart-Interpretation spielt die 1952 von Bernhard Paumgartner gegründete „Camerata Academica“ fraglos eine zentrale Rolle. In deren Entwicklung kommt der Phase unter der Leitung von Sandor Vegh (ab 1978 bis zu dessen Tod 1997) eine besondere Bedeutung zu, ja sie inaugurierte geradezu einen „Damm-bruch der Interpretationsgeschichte“ von Mozarts Symphonien, Serenaden, Divertimenti und Konzerten. Der Cellist Steven Isserlis erinnert sich eindrucksvoll an die außerordentlich suggestive Wirkung von dessen Probenarbeit: „Bis zum heutigen Tag habe ich Veghs Vortrag im Ohr, die Nuancen, die er ans Licht brachte, die Konturen und Farben – zwingend und völlig unerwartet – die er in jeder Phrase entdeckte.“

Ein zentraler Aspekt von Veghs Interpretationsästhetik betrifft die Tempowahl, insbesondere seine kritische Haltung gegenüber zu raschen Tempi, die er als „contrary to human rhythm which is given by nature and linked to nature“ beurteilt hat. Tempi, Ton- bzw. Klanggestaltung bilden zentrale Säulen von Veghs Mozart-Interpretationen, die an ausgewählten Beispielen exemplifiziert, aber auch hinsichtlich ihres gedanklichen Hintergrunds reflektiert werden sollen. Paradigmatisch ist in diesem Kontext etwa Veghs Warnung vor zu raschen Tempi: „Auch der Charakter unserer Zeit macht die Frage Tempo zu einem Problem – wir leben zu aktiv, alles muss schnell gehen.“ (Alice Vegh, Mein Leben mit Sandor Vegh, Salzburg 2001).

Peter Revers wurde in Würzburg geboren. Studium der Musikwissenschaft, Psychologie und Philosophie an der Universität Salzburg sowie Komposition an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst „Mozarteum“, 1980 Promotion, 1981 künstlerisches Diplom. Von 1981–1996 Assistent/Vertragslehrender an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien, unterbrochen durch eine Gastprofessur für „Historische und Kritische Musiktheorie“ an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz 1985 sowie ein Forschungsstipendium der „Alexander von Humboldt-Stiftung“ an der Universität Hamburg in den Jahren 1988/89. 1990 weitere Gastprofessur an der Grazer Musikhochschule. 1993 Habilitation für Musikwissenschaft an der Universität Hamburg mit der Abhandlung Das Fremde und das Vertraute. Studien zur musiktheoretischen und musikdramatischen Ostasienrezeption (publiziert in der Reihe „Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft“, Bd. 41, 1997). 1996–2022 Ordinariat für Musikgeschichte an der Hochschule/Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz. Seit 1. 10. 2022 emeritiert. Forschungsschwerpunkte: Gustav Mahler, Ostasien-Rezeption, Musik des 19. und 20. Jahrhunderts, das Werk Wolfgang Amadé Mozarts und Interpretationsforschung.

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Dominik Šedivý
Bernhard Paumgartners Vision von einem Salzburger Mozart-Stil

In seiner Prägung durch ein ‚vortechnisches Zeitalter‘ wurde Bernhard Paumgartner die Vermittlung eines nach seinen Begriffen echten Kunstverständnisses an jüngere Generationen zu einer regelrecht moralisch begründeten Lebensaufgabe. Zum Inbegriff dieses Bestrebens wurde dabei die Frage der richtigen Herangehensweise an die Werke Mozarts und deren Unterrichtung am Mozarteum. Folgerichtig findet sich in seinen umfangreichen, nachgelassenen Aufzeichnungen zum „Mozart-Stil“ und dem „Problem eines zeitlos gültigen Werkstils“ nur wenig über Aufführungspraxis und eine „objektiv gültige Interpretationsform“. Er erachtete „ein klein wenig historisches Wissen […] vor allem über die Spielformen, die improvisatorischen Auszierungen“ und Aufführungspraxis zwar als erforderlich, doch lag sein eigentliches Anliegen woanders.

Unter Verweis auf Unzerstörbarkeit als das Wesen des Genialen (Goethe) forderte Paumgartner neben Kenntnis der Spielpraxis von Mozarts Epoche die „Vertrautheit mit Wesen und Wille“ von Mozarts Musik. Zugleich anerkannte er „das Recht jeder Generation, das Übernommene […] stets im Licht der eigenen Geisteshaltung neu zu erleben“. Der Interpret verpflichtet sich unter dem Gebot „künstlerischer Reinlichkeit“ also nicht zur Wiedergabe, sondern zum „Nachschaffen“. Im Sinne Paumgartners wird der richtige Mozartstil nicht als Spieltechnik gelernt, sondern durch „demütiges“, „inniges Einfühlen“ in die Werke durch allmähliche Formung gleichsam von innen heraus geboren: als etwas Individuelles und durch geistige Wachheit künstlerisch Beseeltes, das, dem „immer streng umgrenzten“ Wesen von Kultur gemäß, seinerseits örtlich und zeitlich klaren Begrenzungen und fortwährender Veränderung unterliegt. Hieraus folgt auch ein steter Wandel des Mozartstils schlechthin. Es war Paumgartners Vision, dass eine von diesem Gedanken getragene Mozartpflege die Identität von Salzburg als „Hüterin des Mozartgedankens“ nachhaltig prägen würde.

Dominik Šedivý ist wissenschaftlicher Leiter des Richard-Strauss-Instituts und künstlerischer Leiter der Richard Strauss Tage in Garmisch-Partenkirchen, Deutschland. Studien in Musikwissenschaft (Promotion 2006 an der Universität Wien über Zwölftonkomposition), Musiktheorie, Komposition, Chordirigieren und elf Jahre Universitätstätigkeit, insbesondere an der Universität Wien, Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) und Universität Mozarteum. In Salzburg u.a. von 2011 bis 2016 verantwortlich für das Forschungsinstitut für Salzburger Musikgeschichte an der PLUS und für die Erschließung des Nachlasses von Bernhard Paumgartner. Seit 2018 in Garmisch-Partenkirchen tätig und u.a. verantwortlich für die fachliche Betreuung des Nachlasses von Richard Strauss, Fachexpertisen, den institutseigenen Museumsbetrieb, Vortragstätigkeit und Führungen. Mitkonzeption (ab 2019) und seit ihrer Gründung (2020) künstlerische Leitung der GaPa Kultur gGmbH mit der Gesamtverantwortung über rund 70 kulturelle Veranstaltungen im Jahr, einschließlich zweier Saisonkonzertreihen (Sinfonik und Kammermusik) sowie Festivals für Richard Strauss und seit 2025 auch für Michael Ende. Lehre u.a. an der Universität Wien, AAU Klagenfurt, PLUS, Universität Mozarteum, Musikhochschule Freiburg und LMU München.
www.richard-strauss-institut.dewww.richard-strauss-tage.dewww.gapa-kultur.de

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Thomas Wozonig
„Mein Mozart-Ideal ist bestimmt durch das Bild des Revolutionärs“. Karl Böhm als Interpret des ‚Don Giovanni‘

Obgleich auch Mozarts Sinfonien und Konzerte zeitlebens ein Fundament der Dirigiertätigkeit Karl Böhms darstellten, ist es doch die Beschäftigung mit dessen Opern, die seinen teils bis heute anhaltenden Nimbus als Mozart-Dirigent begründete. Neben den rein quantitativ dominierenden Così fan tutte und Le Nozze di Figaro nahm vor allem Don Giovanni eine Schlüsselrolle in Böhms Auseinandersetzung mit Mozart ein, manifestiere sich doch gerade in diesem Werk „der große Dramatiker“, in dem „nicht weniger revolutionäres Feuer flammt als in Beethoven“ (Böhm, Bekenntnis zu Mozart, S. 44). Folglich ist es kaum Zufall, dass er die Oper häufig dann dirigierte, wenn es galt, sich zu profilieren oder Grundsteine zu legen, so etwa bei seinen Debuts bei den Salzburger Festspielen (25. 7. 1938) und an der Mailänder Scala (4. 2. 1948), im Rahmen der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper (6. 11. 1955) oder seinem ersten Auftritt an der Metropolitan Opera (31. 10. 1957).

Beleuchtet werden die Stellung von Don Giovanni in Böhms Repertoire und seine interpretatorische Auseinandersetzung mit diesem Werk. Als Quellengrundlagen dienen vor allem (1.) Böhms eigene Schriften, (2.) Tonaufnahmen mehrerer Produktionen unter seiner Leitung (u.a. New York 1957, Prag 1967 und Salzburg 1977) sowie (3.) zeitgenössische wie auch posthume Besprechungen von Aufführungen unter Böhms Leitung.

Thomas Wozonig studierte Musikologie, Komposition und Musiktheorie sowie Schulmusik in Graz. Von 2018–2024 hatte er mehrere Assistenzstellen in verschiedenen Forschungsprojekten an der Kunstuniversität Graz sowie der Universität Mozarteum inne. Seit 2024 ist er Forschungsmitarbeiter im FWF-geförderten Projekt Multiple Dimensions in Performances of Mahler’s Symphonies (MMD) an der Kunstuniversität Graz. Parallel verfasst er seine Dissertation über Herbert von Karajan als Sibelius-Interpret. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die musikalische Interpretations- und Rezeptionsforschung sowie Musik und Politik im 20. Jahrhundert. Er ist Herausgeber des Sammelbands Karl Böhm. Biografie, Wirken, Rezeption (München 2025) sowie Mitherausgeber u.a. von Musikalische Interpretation bei Herbert von Karajan (Hildesheim 2023), Körper(-lichkeit) in der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts (Bielefeld 2023), Aspekte softwaregestützter Interpretationsforschung: Grundsätze, Desiderate und Grenzen (Würzburg 2023) und Wie sich Salzburg inszeniert (Wien 2023). Er veröffentlichte Beiträge etwa in der Österreichischen Musikzeitschrift, der Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie sowie den Studia Musicologica. Seit 2023 ist er kooptiertes Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft sowie künstlerischer Leiter der Schlosskonzerte Gleinstätten. https://www.thomas-wozonig.at/https://kug.academia.edu/twozonig