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Die Geschichte der Frauen an der Universität Mozarteum ist keine gerade Linie – sie erzählt von Pionierinnen und strukturellen Barrieren, von Aufbrüchen, Verzögerungen und hartnäckigem Wandel. Sie zeigt: Wandel braucht Ausdauer, Mut und verlässliche Strukturen und er beginnt oft dort, wo Einzelne bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – nicht trotz, sondern gerade wegen jener Hürden, die ihnen vorausgingen. 

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Sichtbar zu machen, wer welche Wege gegangen ist – unter welchen Bedingungen, mit welchen Kämpfen und Erfolgen –, bedeutet mehr als historische Gerechtigkeit: Es schafft ein Bewusstsein für die Voraussetzungen von Teilhabe und wirft ein kritisches Licht auf das Heute. Denn Gleichstellung ist kein Zustand, sondern ein Prozess – einer, der Erinnerung ebenso braucht wie klare Perspektiven.

Und eines ist gewiss: Die nächsten Kapitel sind noch nicht geschrieben.

Erste Schülerinnen

Wenn es die Kräfte des Vereins und sonstige Verhältnisse gestatten, so wird sich der Verein auch angelegen seyn lassen, den Unterricht am Mozarteum auch auf das weibliche Geschlecht, jedoch jedenfalls abgesondert, auszudehnen.

Diese Formulierung in den Statuten des Salzburger Dom-Musik-Vereins anlässlich der Gründung seiner Ausbildungsstätte Mozarteum zur Verbesserung der Salzburger Dommusik im Jahr 1841 lässt zwar in puncto Gleichberechtigung noch einige Unverbindlichkeiten zu, stellt aber dennoch einen ersten Wendepunkt im Hinblick auf paritätische Musikausbildung in Salzburg dar. Die ersten Schülerinnen, deren Ausbildung „die Kräfte des Vereins und sonstige Verhältnisse“ zuließen, sind wenig überraschend im Fach Gesang zu finden.

Dem klassischen Bildungsideal für höhere Töchter entsprechend, werden auch in den als weiblich „schicklich“ geltenden Fächern wie Klavier, Laute/Gitarre und Violine bald erste Schülerinnen ausgebildet.

  • Maria Dümler ist eine der ersten Schülerinnen im Fach Violoncello.
  • Von Ida Platte, die bereits 1899 die erste Cello-Schülerin war, ist leider kein Studierendenblatt vorhanden.
  • Sibille Straniak ist eine der ersten Cembalo-Schülerinnen.
  • Berta Wesner studiert 1920 Violine und ist später auch als Lehrende tätig. Die ersten Schülerinnen im Fach Violine sind ab dem Jahr 1880 dokumentiert.
  • Michaela Schwarzbauer ist die erste weibliche Promovendin der damaligen Hochschule Mozarteum, ihre Promotion findet am 7. Dezember 1988 statt. Sie übernimmt neben ihrem Unterricht in der Musikpädagogik vielfältige Aufgaben in der Gremialarbeit, von März 2020 bis April 2022 ist sie Leiterin des Instituts für Gleichstellung und Gender Studies.
  • Anna Maria Kalcher ist im Jahr 2007 die erste Person an der Universität Mozarteum, die „sub auspiciis praesidentis“ – mit Bestnoten – promoviert. Seit 2007 ist sie als Lehrende, seit 2017 als Universitätsprofessorin für Elementare Musik- und Tanzpädagogik tätig. Sie arbeitet in zahlreichen Gremien und leitet seit 2021 die School of Music and Arts Education (SOMA), seit 2022 ist sie Leiterin des Departments für Elementare Musik- & Tanzpädagogik – Orff-Institut.
  • Das Auditorium des Anatomiestöckls wurde als Unterrichtsraum der Musikschule Mozarteum genutzt, über die Hälfte der auf dem Foto abgebildeten Hörer*innen sind Frauen. Auf dem Foto sind die Lehrerinnen Marie Stanek-Hrimaly (Gesang und Klavier), Mathilde Seefeldner (Klavier) und Marie Krasser (Klavier) zu sehen (v.l.n.r.)

Erste Lehrerinnen und weibliche „Professoren“

[S]pätestens ab Herbst 1847 [übten] Frauen eine Funktion aus, die jahrhundertelang Männern vorbehalten war“, resümiert die Musikwissenschaftlerin Eva Neumayr im Hinblick auf die ersten weiblichen Lehrkräfte am Mozarteum. Diese Pionierinnen, nachweisbar etwa in den Fächern Gesang, Klavier und Violine, stammten – soweit bekannt – meist aus gut situierten Familien und/oder verfügten über wohlhabende Ehemänner. Gemäß den Geschlechtervorstellungen des 19. Jahrhunderts, wonach bürgerliche Frauen – zumal verheiratete – keine einkommensgenerierende Tätigkeit verrichten sollten, wurde deren Unterrichtstätigkeit am Mozarteum lange als eine Art Ehrenamt honoriert. Dementsprechend hatten die ersten Lehrerinnen nicht nur gegen einen mehr oder weniger sichtbaren Gender Pay Gap zu kämpfen, sondern überhaupt dafür, angemessen entlohnt zu werden.

Auch nachdem das Mozarteum 1914 als Konservatorium anerkannt wurde, fochten Klavierlehrerinnen wie Berta Kulstrunk und Else Indra, die 1934 gemeinsam mit der Sängerin Martha Schlager als erste Frauen den Titel „Professor[in]“ erhielten, weiter um Fair Pay. Als Adriana Hölszky Jahrzehnte später, im Jahr 2000, als erste Frau eine Professur für Komposition an der Universität Mozarteum antrat, wurde sie zumindest kollektivvertraglich korrekt eingestuft.

  • Bianca Bianchi, eine international höchst erfolgreiche Sopranistin, führt 1914 die Opernschule am damaligen Konservatorium Mozarteum ein und unterrichtet bis zu ihrem 73. Lebensjahr 1928.
  • Lilli Lehmann gilt als Gründerin der Internationalen Sommerakademie Mozarteum. Die Kammersängerin bietet erstmals 1916 im Sommer Gesangskurse an.
  • Else Indra, die ab 1915 Klavier unterrichtet, ist ab 1934 gemeinsam mit Berta Kulstrunk und Martha Schlager eine der ersten betitelten „Professor[inn]en“ am Mozarteum.
  • Berta Kulstrunk studiert ab 1913 am Mozarteum. Ab 1916 unterrichtet sie Klavier und ist ab 1934 eine der ersten „Professor[inn]en“.

Erste Frauen in Leitungspositionen

Ganz ohne Quote, aber mit Weitblick, gründete im Jahr 1914 die gefeierte Sopranistin Bianca Bianchi die Opernschule am Mozarteum. 1916 war es mit Lilli Lehmann erneut eine international renommierte Sängerin, die mit ihren Gesangskursen den Grundstein zur späteren, bis heute erfolgreichen Internationalen Sommerakademie Mozarteum legte. Frauen als Initiatorinnen waren offenbar kein Problem, solange keine offiziellen Titel mitgeliefert werden mussten. Denn Erika Frieser, die 1979 als erste und bis heute einzige Pianistin Leiterin der Abteilung für Tasteninstrumente wurde, wurde 1982 zum ersten weiblichen „Ordentlichen Hochschulprofessor für Klavierkammermusik, Vokal- und Instrumentalbegleitung“ ernannt. In Hinblick auf die erste Abteilungsleitung waren Kolleginnen aus Gesang und Oper allerdings Jahrzehnte voraus: Martha Schlager-Haustein übernahm 1952, Viorica Krauss-Ursuleac 1962 die Leitung der jeweiligen Fachbereiche. Die Abteilung für Schauspiel wurde ab 1962 mit Hilde Weissner erstmals von einer Frau geleitet.

Als im Jahr 1986 die Juristin Annemarie Lassacher-Sandmeier die erste weibliche Rektoratsdirektorin (Leiterin der Verwaltung) wurde, zeugt ein Protokoll des Gesamtkollegiums (dem damaligen Senats-Pendant) erneut weniger von fehlender Kompetenz beim Gendern als von einer über Jahrhunderte eingeübten Textbaustein-Automatik männlicher Funktionszuschreibungen: „Der Rektor begrüßt die Anwesenden, insbesondere den neuen Leiter der Sonderabteilung „Orff-Institut“, Frau O.Prof. Helmi Vent, den neuen Rektoratsdirektor, Frau Dr. Annemarie Lassacher-Sandmeier, …

Die Universitätsgesetz-Novelle bot die rechtliche Grundlage dafür, dass sich im Jahr 1999 mit Manuela Widmer eine Frau der „Mittelbaukurie“ gegen einen männlichen Kandidaten aus der „Professorenkurie“ als erste weibliche Vorsitzende des Universitätskollegiums der Universität Mozarteum durchsetzen konnte. „Mir war klar, dass ich die Überzeugungen, die ich bisher als Frau in einer nach wie vor männlich dominierten Gesellschaft immer vertreten hatte, jetzt unter Beweis stellen konnte und musste! Immer schon hatte ich beklagt, dass Frauen sich ihrer Fähigkeiten zu wenig (selbst)bewusst sind und viel zu bescheiden zurückstehen, wenn es um Führungspositionen geht“, beschrieb sie später ihre Motivation.

Gertraud Steinkogler-Wurzinger, ebenfalls aus dem „Mittelbau“, übernahm im Jahr 2000 als erste Frau die Funktion einer Vizerektorin und wurde 2013 zur ersten weiblichen Senatsvorsitzenden gewählt. Parallel dazu übte mit Viktoria Kickinger auch erstmals eine Frau den Vorsitz im Universitätsrat aus. Ab 2016 traten Brigitte Hütter und Sarah Wedl-Wilson als erste Interimsrektorinnen in Erscheinung, bis schließlich 2018, also 177 Jahre nach Gründung des Mozarteums, mit Elisabeth Gutjahr die erste regulär gewählte Rektorin die Leitung des Hauses übernahm.

  • Martha Schlager-Haustein ist eine der ersten drei „Professor[inn]en“ am Haus (ab 1934). Sie ist im Jahr 1952 die erste Fachgruppenvorständin für Gesang. „Die bekannte Salzburger Altistin, Frau Prof. Martha Schlager-Haustein wirkte auch bei den diesjährigen Festspielen wieder im ersten Domkonzert mit.“
  • Viorica Krauss-Ursuleac ist seit 1962 Fachgruppenvorständin für die Opernausbildung.
  • Hilde Weissner ist seit 1962 Leiterin des Schauspielseminars.
  • Barbara Haselbach leitet das Orff-Institut von 1979 bis 1982 und von 1988 bis 1992. 2010 wird ihr die Ehrenmedaille der Universität Mozarteum verliehen.
  • Erika Frieser ist die erste und bis heute einzige Leiterin der Abteilung (heute: Department) für Tasteninstrumente von 1979 bis 1981.
  • Monika Oebelsberger ist die erste Leiterin des Instituts für Musikpädagogik (heute: Department Musikpädagogik Salzburg) von 2002 bis 2019. Sie initiiert die School of Music and Arts Education (SOMA), die sie von 2018 bis 2021 leitet.
  • Sigrun Heinzelmann ist von 2018 bis 2022 die erste Leiterin des Departments für Komposition und Musiktheorie. Von 2016 bis 2017 ist sie Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen.
  • Isabel Gabbe ist seit 2018 die erste Leiterin des Departments für Musikpädagogik Innsbruck.
  • Beate Terfloth ist die erste Leiterin des Departments für Bildende Künste und Gestaltung von 2019 bis 2020.
  • Barbara Dobretsberger ist von 2021 bis 2024 die erste Leiterin des Departments für Musikwissenschaft.
  • Dorothee Oberlinger leitet seit 2022 als erste Frau das Department für Blas- und Schlaginstrumente. Von 2010 bis 2016 ist sie die erste Leiterin des Instituts für Alte Musik und von 2013 bis 2015 die stellvertretende Leiterin des Instituts für Neue Musik.
  • Annemarie Lassacher-Sandmeier wird 1986 zum ersten weiblichen „Rektoratsdirektor“ bestellt. 2002 wird die Juristin durch das neue Universitätsgesetz zur Universitätsdirektorin. 
  • Manuela Widmer wird im Jahr 1999 zur ersten weiblichen Vorsitzenden des Universitätskollegiums gewählt. Die Musikwissenschaftlerin, Musik- und Tanzpädagogin setzt sich damit als Frau der Mittelbaukurie gegen einen männlichen Kandidaten aus der Professorenkurie durch.
  • Gertraud Steinkogler-Wurzinger ist von 2000 bis 2005 die erste weibliche Vizerektorin. Die Sängerin, Performerin, Dirigentin und Komponistin bekleidet zahlreiche Funktionen am Haus (u.a.: Beauftragte des Rektorats, Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen). Im Jahr 2013 wird sie zur ersten weiblichen Senatsvorsitzenden gewählt. 2015 gründet sie das Institut für Gleichstellung und Gender Studies, das sie bis 2020 leitet.
  • Viktoria Kickinger ist von 2013 bis 2017 die erste weibliche Vorsitzende des Universitätsrats der Universität Mozarteum.
  • Brigitte Hütter wird als amtierende Vizerektorin (2010 bis 2016) durch Abberufung des Rektors zur ersten weiblichen interimistischen Rektorin.
  • Sarah Wedl-Wilson, Vizerektorin von 2014 bis 2016, führt von 2017 bis 2018 gemeinsam mit Mario Kostal ein Interimistisches Rektorat. Seit 1. März 2023 ist sie Universitätsrätin der Universität Mozarteum.
  • Elisabeth Gutjahr tritt am 1. April 2018 ihr Amt als erste weibliche Rektorin an. Im Jahr 2022 wird sie vom Senat für eine zweite Amtszeit bis zum 31. März 2026 bestätigt.

Erste Frauen in männlich dominierten Fächern

Mit der institutionellen Umwandlung des Mozarteums in eine eigenständige Ausbildungsstätte und Konservatorium mit Öffentlichkeitsrecht im Jahr 1914 gingen auch neue Zugänge einher: Erstmals standen sämtliche angebotenen Unterrichtsfächer offiziell auch Frauen offen. Und auch wenn die Schüler*innenverzeichnisse der folgenden Jahrzehnte nicht lückenlos überliefert sind, lassen sich darin sukzessive erste Frauen in jenen Studienrichtungen nachweisen, die bis heute männlich dominiert sind: Kapellmeisterkurs (1922/23), Schlagwerk (1931), Kontrabass (1932). Zwischen erster Einschreibung und erster Abschlussprüfung liegen allerdings oftmals Jahrzehnte: Erst 1962/63 legte mit Renata Braunwieser eine Frau einen Abschluss als „Kapellmeister[in]“ ab, Christina Obber folgte im Dirigieren 1977/78, Brigitte Hampel auf dem Kontrabass 1972, Patrizia Caprioli-Berger mit Schlagzeug 1987, Aurelia Sickert im eigenständigen Fach Komposition 1992.

Obwohl inzwischen über 60% der Absolvent*innen der Universität Mozarteums weiblich sind, brachte das Haus erst im Studienjahr 2024/25 die erste Absolventin im Konzertfach Posaune hervor, und wartet bis heute auf eine Absolventin im Konzertfach Tuba.

Diese Entwicklungen stehen exemplarisch für eine Geschlechterdynamik, wie sie sich auch an anderen Musikausbildungsstätten beobachten lässt – mit spürbaren Auswirkungen u.a. auf die Besetzung von Professuren wie auch auf die Zusammensetzung vieler europäischer Orchester. Die Sichtbarkeit weiblicher Vorbilder – sei es auf Bühnen, in Unterrichtszimmern oder Ausstellungen – ist dabei nicht bloß wünschenswert, sondern essenziell: als Orientierung, als Bestärkung, als Impuls zur kritischen Reflexion über das, was war – und das, was sein könnte. Denn wo Frauen nicht nur Inhalte, sondern auch Strukturen gestalten, entstehen Räume für Wandel.

  • Renata Braunwieser ist 1963 die erste Frau, die das Studium zur Kapellmeisterin absolviert.
  • Gretchen Krueger ist 1979 eine der ersten Absolventinnen des Faches Chorleitung.
  • Aurelia Sickert-Delin ist 1992 die erste Absolventin im Fach Komposition.
  • Adriana Hölszky ist ab 2000 die erste Professorin für Komposition.
  • Juliane Brandes ist seit 2021 die erste Professorin für Musiktheorie.
  • Christiane Büttig ist ab 1. Oktober 2024 die erste Professorin für Chorleitung.

Videomonitor

Video von Lara Amanda Michel zur Ausstellung "Spot on Women":
https://www.instagram.com/reel/DKhYfw_i01Q