Wege in die Selbstständigkeit - Franziska Strohmayr

06.08.2025
Alumnae & Alumni Stories
© Niko Zuparic

Die vielseitige und renommierte Violinistin, Projektmanagerin und Dozentin Franziska Strohmayr wuchs in Augsburg auf und kam zum Studium nach Salzburg, wo sie nach Studienabschlüssen an der Universität Mozarteum bei Prof. Martin Mumelter, Prof. Wolfgang Gratzer und an der Guildhall School of Music and Drama in London bei Prof. Jacqueline Ross auch heute lebt.

Franziska Strohmayr,
Violinistin

Salzburg 

Franziska Strohmayr tritt regelmäßig als Solistin und Kammermusikerin bei renommierten Festivals und Konzertreihen auf, darunter das Musikfest ION Nürnberg, das Klassikfestival Ammerseerenade, die Carl-Orff-Festspiele, das BachZeit Festival Mondsee und Toujours Mozart der Deutschen Mozartgesellschaft. Eine besondere Zusammenarbeit verbindet sie mit dem Komponisten Wilfried Hiller, der ihr mehrfach Werke gewidmet hat, die im Schott Verlag erschienen sind. Sie erhielt nationale und internationale Preise wie den 2. Preis Giovani Musicisti Treviso, den 2. Preis Città di Piove di Sacco Padua und den Kulturförderpreis Stadtbergen. Ihre Diskografie umfasst CD-Produktionen mit TYXart und ihrem eigenen Label Leni Records, darunter das Gesamtwerk für Violine Solo und Violine & Klavier von Wilfried Hiller sowie Solowerke von H. I. F. Biber, G. P. Telemann und J. S. Bach.

Für den Kulturbiathlon „Frauen im Land Salzburg“ wurde sie mit dem Förderpreis für Kunst und Kultur der Stadt Salzburg und als Newcomerin des Jahres von der Landesstiftung PRO SALZBURG ausgezeichnet. Franziska Strohmayr spielt auf einer Violine von Antonio Gragnani, Livorno, 1759.


Du sagst, dass eine deiner großen Leidenschaften die Organisation und Umsetzung von musikalischen Projekten ist und du engagierst dich dafür, Kunst und Kultur unternehmerisch zu denken. Warum braucht man für Kunst und Kultur wirtschaftliches Know-How?

Es ist sehr erfüllend als Künstler*in, die eigenen kreativen Ideen und Projekte Wirklichkeit werden zu lassen. Man schafft etwas völlig Neues, das davor nur in der eigenen Fantasie existiert hat. Beim Prozess, diese Idee mit weiteren Künstler*innen und dem Publikum zu teilen, ist die künstlerische Gestaltung der wichtigste Teil. Ein anderer ist die Verantwortung rund um die künstlerische Idee: Tragsäulen wie Finanzierung, Werbung, Proben und Verträge solide zu betreuen und aufzubauen.

In Salzburg gehören Kunst und Kultur zur Identität der Stadt. Hier wurden und werden Möglichkeiten geschaffen, als Künstler*in Projekte umzusetzen, sich zu vernetzen und Unterstützung zu finden. Man muss manchmal ein bisschen suchen, bis man findet was zu einem passt. Das kann die klassische Projektförderung oder ein Arbeitsstipendium von Stadt und Land sein, eine Beratung und Vernetzung durch den Verein Kunsthilfe e.V., ein sehr günstiges Atelier oder Studio durch den Verein Super Initiative e.V. oder ein niederschwelliger Einstieg in die erste Ausstellung durch die Stadtgalerien. Die Liste ist lang, Formate wie die KultNetz, Salzburgs Vernetzungsmesse für alle Kunst- und Kulturschaffenden sind gute Gelegenheiten, um in einem Austausch mit Kolleg*innen zu kommen. Der Anfang ist für viele Künstler*innen (auch mich) rückblickend am schwersten: Man muss sich trauen rauszugehen, Leute anzusprechen, vielleicht ein paar Mal zu scheitern. Das passiert immer wieder, aber aktiv die Angst zu überwinden bringt viel mehr als passiv abzuwarten, dass etwas passiert. 

Die Universität Mozarteum hat seit kurzem einen Servicepoint, der sich Startup- und Gründungsservice nennt. Betreut wird dieser von dir.

Ja, der Startup- und Gründungsservice ist für alle Studierenden, Mitarbeitenden, Alumnae und Alumni da, die Fragen zur Selbstständigkeit haben, eine Beratung für die Umsetzung einer Idee oder eines Projekts benötigen oder im Rahmen ihrer Forschung etwas herausfinden, das sie als neue Methode, Produkt oder als digitales Programm schützen lassen und dann für die Gesellschaft nutzbar und bekannt machen möchten.

Ich sehe mich mit meinem Angebot als Zwischenstation, als eine Säule im Angebot. Aber ich würde mir wünschen, dass es über vier Semester Pflicht wird, administrative Dinge zu lernen. Als Künstler*in muss man wissen, wie eine Rechnung zu schreiben ist, wie das mit der Versicherung funktioniert und wie Einkünfte zu versteuern sind. Als Studierende habe ich mich auch nur auf jene Dinge konzentriert, die ich für meine Prüfungen gebraucht habe oder die mich besonders interessiert haben. Studierenden kann man keinen Vorwurf machen, wenn sie solche Dinge nicht wissen. Wir sollten an der Universität aber dafür sorgen, dass sie es lernen, also im Studienplan verpflichtend integrieren. Ich bin auch nicht böse, wenn mir jemand einfach ein E-Mail schreibt und Fragen stellt. Es soll ein niederschwelliges Angebot sein. Im Juni fand auch erstmals die Kultur-Netz-Messe in Salzburg mit Angeboten von über 40 Aussteller*innen statt. Ich war mit einem Workshop vertreten. Man kann sich bei solchen Angeboten vieles abholen.

Künstlerisch gehst du auch Wege abseits klassischer Konzertformate. Für deine Kulturbiathlon-Projekte wurdest du ausgezeichnet. Wie kam es zu diesen Projekten?

Ich hatte zuvor eine Konzertreihe mit allen Solosonaten und Partiten von J. S. Bach und wollte dieses Repertoire gerne an weiteren Orten aufführen. Das war der Beginn. Ich reise gerne, aber da das Reisen mit finanziellem Aufwand verbunden ist, überlegte ich mir ein Konzept, das kostengünstig umzusetzen ist. Die Idee mit dem Fahrrad hat viel Aufmerksamkeit erzeugt – lustigerweise weniger durch das Programm als durch die Konzerttourneen mit dem Fahrrad. Ich übernachtete auch nicht in Hotels, sondern bei Gastfamilien. Eines der wichtigsten Geschenke, die ich von diesen Reisen mitnehme, ist die gelebte Gastfreundschaft an so vielen unterschiedlichen Orten und von so vielen unterschiedlichen Menschen. Ich durfte vom Grillabend bis zur Stadtführung auch sehr viel „Rundum-Betreuung“ erleben. Es waren sehr positive, sehr prägende und bereichernden Erlebnisse. Dieses Format hat viel Interesse geweckt und so konnte ich meinen Bekanntheitsgrad steigern. Die Einnahmen aus der ersten Tournee nach Leipzig 2019 gingen an „Life Music Now“ und so konnte ich auch die Kirchen als Auftrittsorte ohne Mieten nutzen.

Im Juli 2021 war ich mit dem Kulturbiathlon „Frauen im Land Salzburg“ unterwegs. Und im Frühjahr 2022 ging es dann von Augsburg über Salzburg nach Innsbruck, Bozen, Trient, Montepulciano und Rom mit insgesamt zwölf Konzerten in ausgewählten Kirchen und gut tausend Kilometern innerhalb eines Monats. Das Unterwegssein, hat mir unglaublichen Spaß gemacht – das habe ich so nicht erwartet. Man kann solche Projekte auch in unterschiedlichen Förderschienen einreichen, muss sie ab und zu anpassen und sehen, wie man mit welchen Ideen Geld verdienen kann. Von selbst geht das natürlich nicht. 

Du engagierst dich auch für die Gleichberechtigung von Frauen. Was können Künstlerinnen zu diesem Thema beitragen?

Sehr viel. Mit Kunst kann man Menschen sehr gut erreichen. Kunst muss nicht immer eine Botschaft haben, aber wenn es passt, ist Kunst ein wunderbares Mittel, um Dinge anzusprechen. Ich kann nicht Dinge, die für mich nicht in Ordnung sind, einfach hinnehmen und weiter leben wie zuvor. Man muss schon auch zu seiner Meinung stehen. Meiner Meinung nach müssen Frauen zu Weiheämter zugelassen werden und diese Botschaft habe ich auch in Rom vertreten. Die Resonanzen waren unterschiedlich, ich habe aber auch viel Zuspruch erhalten. 

Wir lernten uns kennen, als die Universität Mozarteum Wohnmöglichkeiten für ukrainische Studierende in Salzburg gesucht hat. Du hast eine Schauspielstudierende für 3 Jahre aufgenommen. Warum?

Ich habe das Glück, in einer Wohnung meiner Familie zu leben, in der viel Platz ist. Ich bin sehr dankbar dafür, weiß aber, dass andere dieses Glück nicht haben. Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine sah ich mit der Aufnahme einer Studierenden eine Möglichkeit zu helfen. Ich kann nicht in die Ukraine fahren, um zu helfen, aber dies war eine Möglichkeit in meinem Rahmen. Große Probleme kann niemand allein lösen, aber jede und jeder einzelne kann im Rahmen der eigenen Möglichkeiten einen kleinen Beitrag leisten und das habe ich versucht. Ich war ja auch nicht allein, sondern Teil einer Community.

Du musizierst in sehr unterschiedlichen Besetzungen, auch mit Lichtinstallationen und Akrobatik. Wie flexibel muss man als Geigerin und Musikerin heute sein?

Ich promovierte über Carl Orff und Streichinstrumente und bin sehr vielseitig an Kunst interessiert. Ich beschäftigte mich mit Carl Orff als „Theatermenschen“, was mich sehr faszinierte. Als klassisch ausgebildete Musikerin kenne ich den Konkurrenzdruck unter den Musiker*innen und finde es daher sehr schön, auch im Team mit anderen Künstler*innen aus anderen Genres zu arbeiten. 

Was hat sich im Musiker*innenalltag in den letzten Jahren geändert? Beobachtest du einen Wandel?

Ich habe schon das Gefühl, dass gerade ein starkes Bewusstsein für die eigene Situation besteht. Möglicherweise markiert auch „Corona“ einen gewissen Wandel. Aus der Not heraus sprach man plötzlich über Geld – immer noch nicht gerne, aber doch. Mittlerweile gibt es Dinge, auf die man sich beziehen kann, wie zum Beispiel die Orchesterampel in Deutschland, in der alle Aushilfshonorare veröffentlicht werden. Ein wenig hat sich auch in Richtung Solidarisierung verändert, wobei ich nicht sicher bin, ob es nicht auch wieder Rückschritte geben könnte. Mittlerweile wird auch über mentale Gesundheit gesprochen, wobei die physische Gesundheit gefühlt immer noch ein Tabu ist. Über Krankheit, deren Folgen und über Familienplanung wird im beruflichen Kontext von Künstler*innen nach wie vor kaum gesprochen. 

Gibt es Dinge, die während deiner Ausbildung aus heutiger Sicht zu kurz kamen?

Vielleicht Instrumente, um die Abhängigkeit Studierender von ihren Professor*innen zu vermindern. Die Vermeidung von Machtgefällen, des Ausgeliefertseins, wenn die Beziehung zur Lehrperson nicht passt – wobei diese Beziehung im musikalischen Bereich naturgemäß sehr eng ist. 

Hast du ein Rezept, wie man neues und junges Publikum für klassische Musik begeistern kann?

Wenn ich das hätte (lacht)! Ich würde sagen, junge Menschen früh miteinbeziehen, sie vieles ausprobieren lassen, Instrumente lernen und singen, miteinander musizieren. Keine Genre- Trennungen. Wir müssen uns bewusst machen, woher diese Trennung der Genres kommt. Das Spezialistentum begann in der Romantik, hat also noch keine so lange Tradition. Beethoven sah sich beispielsweise als freier Künstler, der mit seinen Kompositionen eine „höhere Aufgabe“ erfüllt. Mit Spitzweg wurde das Bild des armen Dichters erzeugt. Das sind zwei sehr starke Assoziationen, die uns bis heute „anhängen“. 

Was würdest du deinem jüngeren „Ich“ mit auf den Weg geben?

Vielleicht war ich in vielen Bereichen zu streng mit mir. In manchen Bereichen muss man diszipliniert und streng sein, aber nicht in allem. 

Welche Botschaft willst du mit deiner Kunst vermitteln?

Ich möchte mit meiner Kunst bereichern. 

Wenn du dir etwas wünschen dürftest, mit wem würdest du gerne musizieren (ungeachtet aller Hürden)?

Mit Cecilia Bartoli ein künstlerisches Projekt umsetzen.

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