Domenica Radlmaier - Sopran

27.04.2020
Alumni Story
Delta Piano Trio | © Privat

"Soloprogramm als Alternative"

— Domenica Radlmaier: Sopran, Deutschland & Österreich

Wie hast du als Künstlerin die Corona-Zeit erlebt?

Für mich war es von hundert auf null innerhalb von einem Tag. Ich hatte bis Mitte März eine vierwöchige Probenphase für ein Opernprojekt in der Nähe von Karlsruhe, bei dem ich die Rosalinde in der Fledermaus gesungen hätte. Das heißt viele Leute, volle Tage, wunderbare Musik, tolle Erfahrungen und sehr kreative Arbeit. Wir mussten dann den letzten Probentag ausfallen lassen, da die öffentlichen Gebäude zugesperrt wurden und wir damit nicht mehr in unseren Probensaal konnten. Wir haben uns also am eigentlich letzten Probentag vor dem Gebäude getroffen. Die Ansage, ihr dürft nicht mehr hinein, kam erst morgens. Wir konnten nur eine kurze Abschlussbesprechung im Freien abhalten. Wir haben uns voneinander verabschiedet und waren alle ein wenig irritiert. Die meisten haben schon Züge nachhause gesucht, weil wir befürchtet hatten, nicht mehr nachhause zu kommen. Wir waren ein internationales Team. Aber keiner von uns hat zu dem Zeitpunkt wirklich gedacht, dass dieses Festival nicht stattfinden kann. Die Proben haben im März aufgehört und im Mai wurde kommuniziert, dass das Festival nicht in der Form stattfinden kann. Stattdessen wird es kleinere Konzerte geben.

In welchem Zeitraum hätte das Festival ohne Corona stattgefunden?

Das Festival war mit mehreren Produktionen von Juli bis August geplant. Eine Produktion wäre die „Fledermaus“ mit 20 Vorstellungen gewesen.

Gibt es für dich nun schon neue Perspektiven?

Ich wurde diese Woche für vier Konzerte eingeladen. Das Programm steht noch nicht ganz fest, da die Mitarbeiter bis zuletzt versucht hatten, das Festival zu retten. Nicht zuletzt für das Publikum, da es ein sehr etabliertes und beliebtes Open-Air-Festival ist. Zum Glück werden die Produktionen nächstes Jahr nachgeholt. Die vier Konzerte sind aber ein erster Schritt und man wollte wohl auch für das Publikum präsent bleiben und uns Künstler nicht im Regen stehen lassen. Es ist schön zu hören, dass andere Formate, gezwungenermaßen kleinere Formate, umgesetzt werden.

Ich höre bereits Aufbruchstimmung heraus. Aber wie war die erste Zeit nach dem Abbruch der Proben?

Die erste Zeit war ich noch sehr engagiert bei der Sache, da ich mir nicht vorstellen konnte oder wollte, dass die Phase so lange dauern wird. Ich war noch total im Arbeitsmodus und habe liegen gebliebene Sachen abgearbeitet, meine Wohnung in Schuss gebracht und jeden Tag durchstrukturiert. Dann wurde die Phase immer länger und irgendwann nicht mehr absehbar. Ab diesem Zeitpunkt wurde es für mich richtig schwierig. Wenn es keinen richtigen Zielpunkt gibt. Zumal es in meiner Wohnung schwierig ist zu singen. Wir haben dünne Wände und mir war auch bewusst, dass viele Leute jetzt zuhause sind. Und dann wollte ich, als auch abzusehen war, dass ich in der nächsten Zeit erstmal nicht auf die Bühne kann, das nicht ausreizen und dann auch noch eine Geräuschbelästigung sein.

Muss man als Sänger weniger üben als ein Geiger oder ein Pianist?

Man merkt es als Sänger sehr, wenn man nicht viel üben kann. Vor allem die Kondition leidet darunter.

In Österreich waren Hilfsprogramme auch für Künstler, zum Beispiel durch den Künstler-Sozialversicherungsfonds, relativ bald ein Thema. Wie war das in Deutschland?

Ich habe mich anfangs nicht so intensiv damit beschäftigt, da ich dachte, das Festival im Sommer findet statt. Ich dachte auch, vielleicht brauchen andere diese Hilfe dringender als ich. Dazu war das ganze System sehr undurchsichtig und verändert sich bis heute immer wieder. Erst gestern habe ich neue Informationen erhalten. Lange hat es so ausgesehen, dass Soloselbstständige, die keine Liquiditätsengpässe haben, keine Hilfe bekommen. Also, dass private Kosten wie Miete nicht zählen. Ich habe kein Atelier, keinen Probenraum, keine Maschine, die zu bezahlen ist. Aus diesem Grund bin ich erstmal aus den „Hilfsprojekten“ rausgefallen. Jetzt wird das nach und nach adaptiert und verfeinert und ich habe große Hoffnungen, dass das System für uns Künstler verbessert wird. Ich habe mich bei einigen Sachen angemeldet und einige Formulare ausgefüllt aber man muss wohl noch Geduld haben. Es ist nicht einfach, aber ich versuche den Mut nicht zu verlieren und hoffe, dass bald wieder eine Art „Normalität“ eintritt. Ich fürchte, dass vielen nicht klar ist, dass sich die Situation noch über einen langen Zeitraum ziehen wird. Das ist nicht mit Ende der Pandemie vorbei, sondern viele Sachen können jetzt einfach nicht gemacht werden, weil sie für Theater nicht rentabel sind. Ohne ein finanziell funktionierendes Theater können auch keine Künstler angestellt werden. Daher werden die Nachwirkungen noch viel länger spürbar bleiben. Als Berufseinsteiger ist es daher schwierig, wieder Fuß zu fassen. Viele Vorsingen wurde abgesagt, Programme und Opern wurden komplett abgesagt. Ich hatte jetzt Glück, dass dieses Festival versucht, kleine Projekte statt dem geplanten Programm umzusetzen. Aber vieles ist ersatzlos gestrichen und damit liegt der Verdienstausfall bei 100 Prozent.

Ich höre heraus, man muss als Künstler/Künstlerin im Augenblick auf eine andere Art kreativ werden. Was kann man denn konkret unter den bestehenden Rahmenbedingungen machen?

In Österreich dürfen seit Ende Mai Veranstaltungen mit 100 Personen stattfinden – eine Opernproduktion ist damit nicht rentabel… Es war sehr nett, dass einige auf mich zugekommen sind und um Onlineunterricht gebeten haben. Das hat auch sehr viel Spaß gemacht und ich habe mich natürlich gefreut, dass man in dieser Zeit an mich gedacht hat. Ich versuche auch Soloprogramme anzubieten, habe kabarettistisch auch schon einiges gemacht. Die kleinen Programme beinhalten nur zwei Personen auf der Bühne: die Sängerin und den Pianisten. Damit möchte ich dem Publikum ein wenig Fröhlichkeit, Lockerheit und Lachen in der für alle schwierigen Zeit bringen.

Gibt es etwas, was du dir für dein Arbeitsumfeld wünschst?

Was mir persönlich immer wieder einen Stich versetzt hat ist, dass der Fußballverein sehr oft in den Medien war und sehr oft darüber diskutiert wurde, wann jetzt die Spieler wieder auf das Spielfeld dürfen und andere Bereiche weniger bedacht wurden. Es gibt sehr viele Menschen im Kunstbereich und viele, die von dieser Branche abhängig sind. Ich hatte das Glück, dass ich von „meinem Festival“ immer gut über den Stand der Dinge informiert wurde. Ich weiß aber von anderen Veranstaltern, die bis heute keine Angaben darüber gemacht haben, wie es weiter geht, obwohl es bestehende Verträge gibt. Das „Stand-by-sein“ war auch für mich das Schwierigste an der Corona-Zeit. Nicht zu wissen, wann man für die Bühne bereit sein muss oder ob man sich um andere Dinge bemühen soll, die Ungewissheit. Natürlich konnte keiner wissen wie lange die Situation andauert. Aber ich hoffe, dass wir diese Vorsicht bald wieder ablegen und große Veranstaltungen stattfinden können. Wir Künstler sind alle hungrig darauf, wieder mehr Kunst machen zu können. Ich habe in der Corona-Zeit bemerkt, dass es nicht das Wahre ist, über einen Bildschirm Musik zu hören oder Inszenierungen zu sehen. Das Erlebnis von Bühne und Konzertsaal ist ein anderes. Mir fehlt dieser Kontakt zu meinen Kollegen und zum Publikum.

www.domenicaradlmaier.com

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