Christine Foidl - Spezialistin für historische Klarinetten & Instrumentalpädagogin

23.06.2020
Alumni Story
Christine Foidl | © C. Maylandt

"Würde die Berufsentscheidung genau so wieder treffen"

— Christine Foidl: Spezialistin für historische Klarinetten & Instrumentalpädagogin, Österreich & Deutschland

Wie haben Sie als Künstlerin die Corona-Zeit erlebt?

Das Jahr 2020 hat zunächst sehr verheißungsvoll begonnen. Ein Jubliäum wie das heurige Beethoven-Jahr bedeutet im Bereich der „Alten Musik“ sehr viel Arbeit. Ich bin schon vor einiger Zeit für eine Tournee mit dem Australian Chamber Orchestra angefragt worden. Das ist ein sehr renommiertes Kammerorchester in Australien und gewisse Projekte finden mit historischen Blasinstrumenten statt. Ich war den ganzen Februar dort. Man hat natürlich immer wieder in den Medien etwas über das neuartige Corona-Virus gehört oder ist am Flughafen gefragt worden, ob man in den letzten beiden Wochen in China war. Aber sonst war alles noch normal. Ende Februar, als die ersten Fälle in Innsbruck auftauchten, war ich kurz zuhause und am 1. März ging ich noch einmal auf eine kurze Tournee. Es war dies eine Konzertreise nach Beirut (Libanon) mit der Camerata Salzburg. Da war es dann schon so, dass man am Flughafen Salzburg mit der Botschaft in Kontakt treten musste, weil einige Musiker*innen aus Italien dabei waren und die wollte man nicht mehr an Bord lassen. Wir haben uns damals noch gewundert und man hat gescherzt. Als wir zurückkamen, wurde der Ernst der Lage auf den Flughäfen schon spürbarer, da man genaue Angaben machten musste, wo man sich aufgehalten hatte usw. Ich konnte das damals nicht so richtig abschätzen. Am 8. März kam ich zurück und dann ging es Schlag auf Schlag. Ich habe für eine Woche meine Unterrichtstätigkeit in Berchtesgaden wiederaufgenommen, ehe alles abgesagt wurde. Der Unterricht wurde Online abgehalten und ich habe mich in meine Heimat Tirol begeben und mich dort eingerichtet.

Was waren die größten Herausforderungen?

Es war alles sehr unrealistisch, aber im Grunde genommen habe ich mich schnell damit angefreundet, mal ein wenig zu entschleunigen, Sachen zu machen, die ich lange schon tun wollte. Ich habe aber von Beginn an darauf geachtet, dass ich einen geregelten Tagesablauf beibehalte. Ich konnte mich wieder dem persönlichen Üben auf meinen verschiedenen Klarinetteninstrumenten widmen und musste mich nicht nur auf Auftritte und Unterricht vorbereiten. Für mich war die Zeit eigentlich recht entspannt. Man konnte halt nichts mehr planen. Zuerst dachte ich, es geht im April weiter und dann war wieder eine Absage in den Mails. Irgendwann kamen die Absagen schon für Juli und man hat gemerkt, man kann diesbezüglich für längere Zeit nichts mehr erwarten. Ich hatte aber das Glück, dass ich beim Hearing am Tiroler Musikschulwerk mitgemacht habe und erfolgreich war. Es war zwar nicht ganz klar, wann ich die Stelle antreten darf, also wann der Präsenzunterricht wieder losgeht, aber ich habe dann Mitte Mai angefangen Vollzeit zu unterrichten. Vorerst mit Einzelunterricht und Abstandsregeln, mittlerweile ist auch der Gruppenunterricht wieder erlaubt.

Somit war es auch wichtig für Sie, dass Sie beide Standbeine pflegen: Instrumentalpädagogik und Konzerttätigkeit?

Mein erster Berufswunsch nach der Matura am Musikgymnasium Innsbruck war, dass ich Musikschullehrerin werden will. Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass ich auch sehr gerne im Orchester spiele und die Epochen von Barock bis Romantik bevorzuge. Die Ensembles der Alten-Musik-Szene gehen ja heutzutage bis in die Romantik hinein – also genug zu tun für Klarinetten. Das würde mir wirklich sehr fehlen, wenn ich das überhaupt nicht mehr machen könnte. Aber ich bin grundsätzlich sehr gerne an einer Musikschule als Lehrerin tätig. Mir macht die Arbeit wirklich viel Freude.

Erst kürzlich habe ich mit einer anderen Alumna gesprochen, die ebenfalls auf dem Gebiet der „Alten Musik“ tätig ist. Ein lustiger Zufall…

Während der Zeit meines IGP-Masterstudiums am Mozarteum bin ich immer mehr in diese Welt eingetaucht. Ich habe als Zusatz zu meinem Konzertfachstudium in Graz historische Klarinetten bei Dr. Ernst Schlader studiert und dadurch einen neuen Zugang zur Interpretation und zur Musik im Allgemeinen gefunden.

Gibt es schon wieder Perspektiven für kommende Konzerte?

Bis in den Juli hinein wurde wirklich alles abgesagt, teilweise mit Ersatzterminen im nächsten Jahr. Das erste, was mit Vertrag und gebuchten Zugtickets aus heutiger Sicht fixiert ist, ist Ende August in Frankreich. Ich würde mich sehr darüber freuen und bin zuversichtlich. Es ist im kleinen Rahmen, also kammermusikalisch. Ich habe den Eindruck, wir wollen alle wieder spielen, es muss was passieren. Aber es bleibt natürlich immer ein Unsicherheitsfaktor. Ich verstehe auch jeden Veranstalter, dem es im Moment zu riskant ist, Konzerte durchzuführen.

Gibt es einen positiven Aspekt, den Sie der Corona-Zeit abgewinnen können?

Ja, auf jeden Fall. Ich konnte vieles wieder hervorkramen und mich auf die wesentlichen Sachen, die ich schon lange wieder einmal spielen wollte, zurückbesinnen. Auch das Online-Unterrichten hat besser funktioniert als erwartet. Manche Schüler*innen hatten mehr Zeit, sich mit dem Instrument zu beschäftigen und haben größere Fortschritte gemacht als im angenommen hätte.

Gibt es Wünsche und Vorschläge Ihrerseits für spezielle Rahmenbedingungen, die Sie als Künstlerin benötigen?

Ich glaube, wir haben auf die weitere Entwicklung wenig Einfluss. Gegen ein Virus haben wir keine Chance. Ich weiß wirklich nicht, wie alles weitergehen soll: wir Musiker*innen sind davon abhängig, dass wir frei reisen dürfen. Es sollte kein Nachteil sein, aus Österreich zu kommen, wenn beispielsweise in Frankreich besonders gute Ensembles für Alte Musik sind. Es ist ein Dilemma. Ich mache mir schon Gedanken, was aus den Studierenden wird, die derzeit noch studieren und noch keinen Beruf haben. Schon in den letzten Jahren wurde immer wieder von einem Überangebot an klassisch ausgebildeten Musiker*innen gesprochen.

Haben Sie Erfahrungen mit Hilfsprogrammen?

Nein, denn ich habe gar keine Anträge gestellt. Ich hatte zu Beginn des Jahres gute Einkünfte und aufgrund der Musikschulstelle muss ich mir finanziell keine Sorgen machen. Ich habe mich im Augenblick damit arrangiert, dass ich nun hauptsächlich unterrichte und wie es weitergeht, wird man sehen. Wobei man auch nicht vergessen darf, dass sowohl die pädagogischen als auch die künstlerischen Anforderungen an eine Musikschullehrkraft hoch sind und man selbst sehr gut spielen muss. Man hat natürlich überwiegende Schüler*innen im Anfängerbereich, aber auch jene, die eine ganz gezielte Betreuung auf sehr hohem künstlerischen Niveau brauchen und das ist schön.

Gibt es noch etwas was Sie uns mitteilen wollen?

Wenn ich noch einmal vor der Berufsentscheidung stünde, würde ich diese erneut genauso treffen. Es gibt Studierende, die wollen keinesfalls in die Musikschule, aber es wäre schon hilfreich zu vermitteln, dass ein „Plan B“ wichtig ist. Zum Beispiel ein anderes Studium, Ausbildung im Managementbereich etc. Es tut mir weh zu sehen, wenn Leute frustriert in einer Musikschule arbeiten. Die Kinder haben nichts davon. Man sollte das Berufsprofil vielleicht schon während des Studiums genauer erstellen.

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