Künstlerische Intervention zur Aberkennung von Ehrenmitgliedschaften

24.04.2023
News

Im Rahmen einer künstlerischen Intervention der Studierenden Theo Thun, Paulo Jamil Sieweck, Lenz Farkas, Tanja Radovanovic und Amadeus König (Thomas Bernhard Institut) wurden am 22. April 2024 zehn Ehrenmitglieder der Universität Mozarteum von der Ehrentafel im Foyer am Mirabellplatz 1 gestrichen. Die Studierenden fordern, dass Herbert von Karajan, Meinhard von Zallinger, Franz Ledwinka, Wilhelm Backhaus, Cesar Bresgen, Johann Nepomuk David, Carl Orff, Bernhard Paumgartner, Eberhard Preußner sowie Gerhard Wimberger ihre Ehrenmitgliedschaft unverzüglich aberkannt wird.

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„Was ist der Sinn einer Ehrentafel und von Ehrenmitgliedschaften. Man schmückt sich mit ihren Namen, man möchte als Institution mit ihnen assoziiert werden. Unsere Ehrenmitglieder waren zuweilen Nazis. Manche waren in der NSDAP und stehen trotzdem hier und sollen uns eine Art Vorbild sein, oder eine Inspiration. Eben jene müssen ihre Ehrenmitgliedschaft unverzüglich aberkannt bekommen. Es gibt keinen Grund, dass ein Mitglied der NSDAP uns als Vorbild dienen sollte. … Wir wollen nicht lange weiter diskutieren. Wir wollen gar nicht diskutieren! Diese 10 Personen sind allesamt mit dem NS-Staat verbunden gewesen und haben sich in Teilen nie von ihm gelöst, geschweige denn ihre Verbindungen selbst kritisch offengelegt. Diese Tafel muss kontextualisiert werden! Die Ehrenmitgliedschaften müssen aberkannt werden! Nicht nächstes Semester! Nicht nach nochmaliger Untersuchung! Nicht nächsten Monat! Nicht morgen!“, so die Forderung der Studierenden.

Mitte Mai wurde die Streichung der Namen Herbert von Karajans sowie Carl Orffs anonym wieder rückgängig gemacht. Am 18. Juni fand eine erneute Aktion der Studierenden statt, die u.a. die anonyme „Rückgängigmachung“ der Streichungen thematisierte. 

„Die künstlerische Intervention der Studierenden zeigt uns, dass die Notwendigkeit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit unserer Geschichte nichts an Aktualität eingebüßt hat – im Gegenteil. Seit über zwei Jahren befasst sich zudem eine Forschungsgruppe mit einer fundierten Aufarbeitung des Themenfeldes mit dem Ziel, eine Neubewertung bspw. von Ehrenmitgliedschaften oder Bezeichnungen vorzunehmen.  Dass auf die erste Intervention der Studierenden anonym reagiert wurde und jemand versucht hat, zwei Namen wieder sichtbar zu machen, zeigt, wie hochgradig sensibel das ganze Themenfeld sich darstellt. Es geht vor allem um eine kritische, langfristig nachhaltige Reflexion und Integration von Erkenntnis in unseren Umgang mit Erinnerung – wie wortwörtlich im Begriff „Denkmal – denk mal!“  eingeschrieben", so Rektorin Elisabeth Gutjahr.

„Die Universität Mozarteum ist den Studierenden sehr dankbar, dass sie das Thema dringlich gemacht haben. Die Ehrentafel mit den Streichungen erinnert jetzt an die jahrzehntelange Verdrängung nationalsozialistischer Verstrickung an unserer Universität. Ein dementsprechendes geschichtspolitisches Handeln war und ist überfällig. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des derzeit wiedererstarkenden Rechtsextremismus“, kommentiert Senatsvorsitzender Christoph Lepschy.

Stellungnahme Rektorat & Senat

Die Universität Mozarteum hat in der Vergangenheit höchst bedenkliche Entscheidungen über die Zuerkennung von Ehrungen an Personen getroffen, deren Verstrickungen in die faschistische und nationalsozialistische (Kultur-)Politik nicht thematisiert beziehungsweise als geradezu legitim erachtet wurden. Die Rolle und Position der Geehrten zum Nationalsozialismus wurden in diesen Verfahren niemals zum Thema gemacht und schon gar nicht kritisch hinterfragt.

Ehrungen sind immer auch ein Zeitdokument und spiegeln die Haltungen, Politiken und Netzwerke jener wider, die diese befürwortet haben – etliche von ihnen waren selber NS-belastete Universitätsangehörige. Durch die Praxis der bis in die jüngste Vergangenheit kaum problematisierten Ehrungen, die von den 1960er bis in die 1980er Jahre vorgenommen worden sind, und auch danach nicht öffentlich problematisiert wurden, hat die Universität Mozarteum einer Kultur des Vergessens und Verdrängens Vorschub geleistet. Senat und Rektorat sind der Auffassung, dass dieses Verhalten der Universität und ihrer Funktionsträger*innen, das untrennbar mit den problematischen Ehrungen zusammenhängt, einer genaueren Aufklärung und zu publizierender Forschung bedarf.

Die Universität Mozarteum ist sich der Verantwortung für diese Fehlentscheidungen bewusst und distanziert sich nachdrücklich von diesen Ehrungen. Es wird nunmehr unverzüglich ein Aberkennungsprozess in Gang gesetzt. Wo notwendig, wird dafür eine umfassende Untersuchung über die nationalsozialistische Verstrickung der Geehrten in Auftrag gegeben.

Gleichzeitig ist es der Universität ein Anliegen, nicht mehr hauptsächlich über die Täter zu sprechen, sondern endlich auch über die Opfer, Geschädigten und Überlebenden von Faschismus und NS-Zeit. Dafür wird ebenfalls ein umfassender Prozess der Recherche und Anerkennung initiiert.

Senat und Rektorat, Oktober 2024