Kann man nach Auschwitz noch eine Oper komponieren?

So. 7.12.2025
Talk
LAUT:SPRECHER
Eintritt frei!
Holocaust-Verarbeitung in Simon Laks „L‘Hirondelle inattendue“. Frank Harders-Wuthenow im Gespräch mit Univ.-Prof.in Dr.in Yvonne Wasserloos, im Rahmen des Themenschwerpunktes „LAUT:SPRECHER - Viktor Ullmann und Simon Laks in dunklen Zeiten“
Simon Laks’ 1965 in Paris komponierter Einakter "Die Unerwartete Schwalbe" basiert auf einem Hörspiel des 1901 als Kind russisch-jüdischer Emigranten in Paris geborenen Schriftstellers und Widerstandskämpfers Claude Aveline, das 1955 mit dem renommierten Prix Italia ausgezeichnet worden war. Sie ist nicht nur ein herausragendes Beispiel transnationaler europäischer Kultur nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch ein einzigartiges Dokument der Holocaust-Verarbeitung. Der Vortrag zeigt auf, wie Avelines ontologische Eulenspiegelei erst in der Umwandlung in ein Werk des Musiktheaters ihr vollständiges allegorisches Potential entfaltet und in welch starkem Maße Laks, der Auschwitz als Musiker überleben konnte, seine eigene Überlebens-Geschichte in die Handlung hineinkomponierte. Laks’ Oper wird nicht nur Viktor Ullmanns Kaiser von Atlantis, oder der Tod dankt ab gegenübergestellt, sondern auch im Kontext weiterer Opern von Komponisten betrachtet, die, im Gegensatz zu Ullmann, die Shoah überlebten.

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Frank Harders-Wuthenow studierte Musiktheorie an der Hamburger Musikhochschule sowie Musikwissenschaft, Romanistik und Philosophie an den Universitäten von Mainz und Hamburg. Er arbeitete nach dem Studium zunächst als Musikdramaturg bevor er zum Verlag Boosey & Hawkes nach Berlin ging, wo er die Promotion-Abteilung leitet und als Lektor für die Katalog-Entwicklung zuständig ist. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit, auch als CD-Produzent, gilt den Komponistinnen und Komponisten, die während der Nazizeit Opfer rassistischer Verfolgung wurden. Er gehörte zu den Initiatoren der 2006 an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst ins Leben gerufenen European Platform for Music Suppressed by National Socialism und arbeitet eng mit dem aus dieser Initiative heraus gegründeten Exilarte Zentrum für verfolgte Musik zusammen, aktuell u.a. bei der Erschließung des kompositorischen Nachlasses von Hans Winterberg.

Foto: Pierre Lasry