Preisträger*innen des GenDivers-Preis

14.05.2022
Auszeichnungen & Erfolge
Illustration einer Trompete

Das Institut für Gleichstellung & Gender Studies ist bestrebt, die an der Universität Mozarteum betriebene Auseinandersetzung mit Fragestellungen des Feminismus, der Gender & Queer Studies sowie Diversity Studies nachhaltig zu fördern und sichtbar(er) zu machen. Um vor allem auch dem künstlerischen / wissenschaftlichen Nachwuchs Anreize zu bieten, sich mit entsprechenden Themen zu beschäftigen, werden seit 2020 jährlich die GenDivers-Preise für herausragende studentische Abschlussarbeiten ausgeschrieben, die sich innovativ mit Aspekten von Gender, Queerness, Feminismus und/oder Diversität auseinandersetzen.

Preisträger*innen 2021

Joachim Gottfried Goller
„Maß für Maß“ nach William Shakespeare

(Mentor: Mehdi Moradpour)

Joachim Gottfried Goller beschäftigte sich in seiner Diplominszenierung mit dem Problemstück „Maß für Maß“ von William Shakespeare. In seiner Inszenierung wird die Frage behandelt, wie und wo Sexualität zu einem gesellschaftlichen Ausschlusskriterium wird. Die Realität der Syphilis-Epidemie um 1603 verwandelt sich hier allerdings durch popkulturelle Referenzen zu einer Erzählung über die HIV/AIDS-Epidemie der 1980er-Jahre. Ergänzt durch Crossbesetzung, Kommentar und Verkleidung ergibt sich die Neudeutung eines Klassikers, queer erzählt. Die Produktion ist auf YouTube zu sehen.

Marie Gruber
Feministische Kunst im BE-Unterricht: Potential für einen kritisch-reflektierten Kunstunterricht

(Betreuung: Iris Laner)

In ihrer wissenschaftlichen Masterarbeit beschäftigte sich Marie Gruber mit der Frage, inwieweit die Auseinandersetzung von Schüler*innen mit der Darstellung von Körpern und Körperlichkeit in der feministischen Kunst die Wahrnehmung auf dieses bedeutende Aushandlungsfeld ästhetischer und soziokultureller Debatten verändert. Nach der Reflexion aktueller kunsttheoretischer sowie fachdidaktischer Positionen wird mit quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden nachgewiesen, dass die Auseinandersetzung der Schüler*innen mit feministischer Kunst und deren Diskursen u.a. den kritischen Blick auf männliche und weibliche Stereotype in deren Alltag verstärkt, wodurch die Wichtigkeit solcher Projekte ersichtlich wird.

Armela Madreiter
MENNER – ein szenischer Forschungsbericht zum Feindbild alter weißer Mann

(Betreuung: Judith Philippa Franke und Andreas Bürgisser)

Was ist männliche Sozialisation? Was heißt mansplaining und manspreading und wie vermeidet man(n) dieses Verhalten? Wie dekonstruiert man Männlichkeitsbilder? Dies sind nur einige Fragen von vielen, die im Rahmen des künstlerisch-praktischen Masterprojekts MENNER gestellt werden. In dieser performativen Auseinandersetzung mit dem feministischen Feindbild des weißen alten Mannes wurde auf der Bühne mit drei männlichen Performern im Alter von 55 bis 70 sowie den Bühnenbildner*innen Magdalena Hofer und Selina Nowak gearbeitet und dabei versucht, einen innovativen, feministischen, kritischen aber auch selbstironisch-unterhaltsamen Blick auf das Thema Männlichkeitskonstruktion zu werfen. Reflexionsprozesse über männliche (Selbst)Verständnisse und Themen wie toxic masculinity, hegemoniale Männlichkeit sowie Androzentrismus wurden – nicht zuletzt auch beim Publikum – in Gang gebracht.

Preisträger*innen 2020

Stefanie Alf
Die Ästhetik der non-normativen Tänzerin und Choreographin Claire Cunningham

(Bachelorarbeit betreut von Monika Mittendorfer)

Claire Cunningham ist eine non-normative Künstlerin, die auf die Nutzung von Krücken angewiesen ist. Ihre Gehstützen sind sowohl im Alltag als auch in der Bewegungsrecherche und in ihren Performances ihre ständigen Begleiter. Die Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Cunninghams Ästhetik beschrieben werden kann und thematisiert in diesem Zusammenhang vor allem die Rolle der Gehstützen sowie die Entwicklung des tanztechnischen Vokabulars. Die Ausführungen stützen sich dabei auf Cunninghams Lecture-Demonstration „4 Legs Good“ (2019).

Um Cunninghams tanztechnisches Vokabular in einen tanzwissenschaftlichen Kontext einzuordnen, werden zunächst die bestehenden Tanzanalysemodelle „Laban Movement Analysis“ und „Inventarisierung von Bewegung“ nach Claudia Jeschkes IVB herangezogen. Dabei lassen sich deutliche Grenzen dieser per se nicht auf die Analyse nichtnormativer Ästhetiken und Körper ausgelegten Modelle sowie Ideen zu deren entsprechenden Erweiterungen aufzeigen. Auf Basis der Forschungsergebnisse von Josephine Fenger (2009) wird anschließend Claire Cunninghams Solo-Performance „Give me a reason to live“ (2017) analysiert, für deren Konzept und Choreographie der Künstlerin eine Gemäldesammlung von Hieronymus Bosch als Ausgangspunkt diente, in welcher der Diversitätsaspekt „crip“ thematisiert wird. Cunningham reagiert mit ihrer künstlerischen Arbeit durchaus kritisch darauf. In einem Resümee lässt sich festhalten, dass Claire Cunninghams künstlerische Praxis vor dem Hintergrund von Ästhetik und der Frage nach Non-Normativität einen wichtigen Beitrag zu Diversität in der Gesellschaft leistet: Durch ihre Gehstützen, die ihre Behinderung besonders sichtbar machen, und deren Einsatz auf der Bühne hinterfragt die Künstlerin nicht nur Normen von Körpern auf der Bühne, sondern zeigt non-normative/spezielle körperliche Fähigkeiten und Spezifika auf. Durch deren Sichtbarmachung wird das Spektrum von ästhetischer Wahrnehmung erweitert und kann von der Betrachtung einer künstlerischen Performance, auch auf andere Lebensbereiche übertragen werden. Ein diverseres Kunstfeld, das sich in unterschiedlichen Lebensbereichen und -realitäten zeigt, trägt somit zu einer diverseren Gesellschaft bei.

Katharina Streicher
Inklusion von Kindern mit Behinderung an den Tiroler Landesmusikschulen

(Bachelorarbeit betreut von Heike Henning)

Die Arbeit, die sich als Beitrag im Bereich der Diversity Studies versteht und zur Bewusstseinsbildung beitragen will, untersucht die inklusive Praxis der Tiroler Landesmusikschulen und bietet darauf aufbauend mögliche (Denk-)Anstöße für zukünftige Veränderungen auf dem Weg zu einer inklusiven Musikschule welche, den (Instrumental- )Unterricht für alle zugänglich macht. Den Ausgangspunkt für die empirische Studie bildeten zwei Fragenkomplexe. Der erste diente der Erhebung des Ist-Standes: Inwiefern besuchen schwer- und mehrfachbehinderte Kinder den Instrumentalunterricht an einer Tiroler Landesmusikschule? Um welche Kinder handelt es sich dabei? Fühlen sich die Lehrkräfte dafür vorbereitet? Es wurde überprüft, inwiefern Lehrende bereit sind, Menschen mit Behinderung zu unterrichten, und inwieweit sie das bereits tun. Des Weiteren wurde aus Perspektive der Lehrpersonen die Umsetzung der verschiedenen Bereiche von Barrierefreiheit an den Musikschulen ermittelt. Dabei wurde festgestellt, dass nur wenige Kinder mit Behinderung Musikschulunterricht erhalten und dass die Bereitschaft Lehrender von der Art der Beeinträchtigung der Schüler*innen abhängt. Die meisten Lehrkräfte der Stichprobe würden aber prinzipiell ein Kind mit Behinderung unterrichten.

Ein zweiter Fragekomplex widmete sich den Änderungen, die es bräuchte, um Kinder im Volksschulalter mit Schwer- und Mehrfachbehinderung selbstverständlich in den Alltag der Musikschulen Tirols zu integrieren. Dazu wurden unterschiedliche Aspekte von Barrierefreiheit an den Musikschulen untersucht. Die Ergebnisse unterstreichen den Änderungsbedarf: Nur ungefähr 23% der Musikschulen verfügen über strukturelle und kommunikative Barrierefreiheit, auch die physische Barrierefreiheit ist lediglich in etwas mehr als der Hälfte aller Musikschulen der Stichprobe gegeben. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den Tiroler Landesmusikschulen noch nicht etabliert und verankert ist. Es müssen neue Strukturen entwickelt und generell Musikschulen neu gedacht werden. Dies sollte bei der Ausbildung der Lehrkräfte beginnen und über barrierefreie Gebäude bis hin zur Beschäftigung von Lehrpersonen mit Behinderung führen. Damit sich alle Menschen gleichermaßen willkommen fühlen, müssten zuerst grundlegende Anliegen geklärt werden, braucht es Informationen in verschiedenen Kommunikationsformen, finanzielle Unterstützung und vieles mehr. Genauso wichtig ist es, dass Menschen mit Behinderung oder anderen Diversitätsmerkmalen als integral Mitwirkende am Konzept Musikschule betrachtet werden und genauso dazugehören – mit all ihren Stärken und Schwächen. Jeder Mensch ist einzigartig und hat individuelle Ansprüche. Zuerst muss sich das Weltbild der involvierten Menschen ändern, ein Bekenntnis zu Inklusion ausgesprochen werden, erst dann können entsprechende Strukturen entstehen und kann diskutiert werden, ob eine Nachfrage vorhanden ist.

Maria Ladurner
Gib Freiheit mir

(Künstlerische Masterarbeit betreut von Kai Bachmann)

Die künstlerische Masterarbeit in Form einer CD-Produktion bezieht sich auf das zentrale und titelgebende Motto „Gib Freiheit mir“ aus dem Gedicht „Auf die unverhinderliche Art der edlen Dichtkunst“ der barocken Lyrikerin Catharina Regina von Greiffenberg. Dieser Vers, der nach wie vor von unzähligen Frauen aus mannigfaltigen Gründen gesprochen wird und werden muss, zieht sich durch die Leben der Frauen, deren Kompositionen auf der CD vertreten sind (Francesca Caccini, Barbara Strozzi, Isabella Leonarda, Maria Theresia Paradis und Bettine von Arnim).

Mit der Auswahl der Werke sollen bei den Hörer*innen Fragen aufgeworfen werden, die auch die (musikwissenschaftliche) Frauenforschung seit Jahrzehnten beschäftigen: Wie wandelten sich die Möglichkeiten von Frauen im Laufe der Jahrhunderte? Warum nehmen wir Frauen heute, durch den Filter der vergangenen Zeit, so häufig nur als Schwestern, Mütter, Ehefrauen berühmter Männer wahr, denn als eigenständige Künstlerinnen? Gibt es eine spezifische Form des weiblichen Ausdrucks?
Diesen Fragen wurde auch in der externen Masterprüfung zum Thema „Vom Lieben und Sterben“, in welcher der Großteil der auf der CD eingespielten Werke enthalten war, weiter nachgegangen. Als dramaturgische Besonderheit des Prüfungsprogramms blieben dem Publikum zu Konzertbeginn Name und Geschlecht der Komponist*innen verborgen und damit auch der Umstand, dass Musik erklang, die zu genau 50 Prozent aus der Feder von Frauen stammt. Erst im Epilog, einem nach dem Konzert zu lesenden Teil des Programmhefts, wurde dieser Umstand aufgelöst. Es war mir dabei ein Anliegen, die Zuhörer*innen auf mögliche geschlechterspezifische Hörerwartungen aufmerksam zu machen. Nur die Musik sollte zählen und nicht der Umstand, ob diese einer Frau oder einem Mann zuzuordnen ist.

Preisträger*innen des Anerkennungspreises 2020

Martha Luise Hamberger
„Was will denn die hier als Frau mit diesem Instrument?“ Frauen im Orchester

(Bachelorarbeit betreut von Julia Hinterberger)

Unter dem programmatischen Titel „Was will denn die hier als Frau mit diesem Instrument?“ (Zitat Barbara Hirschvogl, Kontrabassistin) thematisiert die Arbeit Geschlechterverhältnisse und Rollenbilder in der künstlerischen Hochschulausbildung wie auch in der musikalischen Berufspraxis. Mit unterschiedlichen Methoden wird den Fragen nachgegangen, wie sich das Profil der Orchestermusikerin seit dem 19. Jahrhundert entfaltet hat, welche Veränderungen und Entwicklungen besonders in den letzten 50 Jahren zu konstatieren sind und welche Tendenzen sich daraus für Gegenwart und Zukunft ableiten lassen.
In einem hermeneutisch-philologischen ersten Abschnitt wird mit Rückgriff auf einschlägige Quellen der Musik- und Frauenforschung (vgl. z.B. Freia Hoffmann und Eva Rieger) ein historischer Längsschnitt über die Entwicklungsgeschichte von Frauen als Orchestermusikerinnen gegeben.
Das empirische zweite Kapitel basiert auf der Analyse statistischen Materials, das den Frauenanteil in deutschsprachigen Orchestern, den weiblichen Anteil unter Studierenden, Probespielbewerbungen, Neueinstellungen sowie Orchesterprofil und Orchesterstatus von den frühen 1960er-Jahren bis zur Gegenwart verdeutlicht. Aus diesen Daten lässt sich u.a. ein kontinuierlicher Anstieg des Frauenanteils in Orchestern ablesen – nicht nur in den „typischen Fraueninstrumenten“ wie Geige und Flöte, sondern auch bei weiteren Holzblasinstrumenten oder etwa dem Cello. Lediglich im Spiel von Blechblasinstrumenten sind Frauen auch heute noch deutlich in der Minderzahl. Generell lässt sich ein positiver Trend in Bezug auf die Bewerbungszahlen und Neueinstellungen von Frauen in Orchestern sowie die Anzahl an Frauen in Orchester-Führungspositionen erkennen.
Der dritte Teil der Arbeit bedient sich eines qualitativen Forschungsansatzes und wendet sich dem lange als Männerdomäne beschriebenen Kontrabassspiel zu: Mit Leitfrageninterviews werden drei Kontrabassistinnen als Vertreterinnen aus unterschiedlichen Generationen befragt. Durch die Antworten lässt sich nicht nur die Wirkungsweise von (Geschlechter-)Hierarchien und Machtverhältnissen in Orchestern bestätigen, sondern können zudem Einsichten in weibliche Identitätsfragen gewonnen werden.

Leonor Maia
Jamais renier Renié

(Künstlerische Masterarbeit betreut von Kai Bachmann)

Im Rahmen einer CD-Produktion soll diese künstlerische Masterarbeit die Bedeutung der französischen Harfenistin und Komponistin Henriette Renié (1875–1956) für das Harfenspiel untersuchen. Obwohl Renié zu Lebzeiten viel Anerkennung für ihre Kompositionen und Arrangements erhielt, die sie vielerorts erfolgreich zur Aufführung brachte, sind viele ihrer Notenmanuskripte noch immer unauffindbar und/oder warten darauf, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Während es auf internationaler Ebene eine überschaubare Anzahl von Tonträger-Einspielungen und Forschungsarbeiten zu Leben und Werk dieser Komponistin gibt, ist Renié in der Forschung und Aufführungspraxis des deutschsprachigen Raumes bisher so gut wie unberücksichtigt geblieben. Insofern stellt der Titel „Jamais renier Renié“ nicht nur ein Wortspiel dar, sondern formuliert das Ziel dieser Masterarbeit: Den Bemühungen der langjährigen musikwissenschaftlichen Frauenforschung entsprechend, sollen Reniés Werke in wissenschaftlicher und künstlerischer Auseinandersetzung bekannt(er) gemacht werden.
Den Ausgangspunkt für die Masterarbeit bilden die Deux pièces symphoniques, von welchen bis dato nur eine einzige, historische Aufnahme existiert, und zwar durch die Komponistin selbst. Diesem unbekannten Werk werden mit dem sehnsuchtsvoll lyrischen Pièce symphonique und dem virtuosen Danse des Lutins zwei bekanntere Stücke der Komponistin zur Seite gestellt, die es ermöglichen, das breite kompositorische Spektrum Reniés aufzuzeigen. Die Analyse macht deutlich, wie die Komponistin immer wieder die Grenzen des Instruments ausgelotet und überwunden hat, und durch die Verwendung von Spieltechniken, welche nur auf der Harfe möglich sind, die Vielseitigkeit und Einzigartigkeit des Instruments betonte.