Agnes Kern - Musik- & Tanzpädagogin

01.11.2023
Alumni Story
© Orff-Institut

Agnes Kern, Musik- & Tanzpädagogin

Graz

Was machen Sie beruflich? Wie sieht ihr „Berufsalltag“ aus?

Ich habe Musik- und Tanzpädagogik mit dem Schwerpunkt soziale Arbeit und integrative Pädagogik am Orff-Institut studiert. Glücklicherweise bekam ich gleich nach dem Studium eine Anstellung am Kolleg für Sozialpädagogik in Graz. Ich hatte das Glück, dass die Direktorin keine konventionellen Schulmusiker*innen gesucht hat. Das Orff-Institut ist bekannt und die ganzheitliche Methode wurde bevorzugt. Ich begann mit den Fächern Musikerziehung und rhythmisch-musikalische Erziehung. Mittlerweile gebe ich auch Instrumentalunterricht mit Gitarre, also Kleingruppenunterricht.

Mit dem Kolleg habe ich einen Arbeitsbereich gefunden, der die musisch-kreative Ausrichtung absolut in den Vordergrund stellt. Die Ausrichtung ist ebenso praxisorientiert wie musikalisch-kreativ. Diese beiden Komponenten sind die Kernelemente, mit sehr viel Werken, Bildnerischer Erziehung und mit musikalischen Fächern. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, konnte mich gut einbringen und durfte frei arbeiten. Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich das fortführen kann, was mir bereits im Studium großen Spaß gemacht hat.

Was ist das Schöne an Ihrem Beruf? Welche Möglichkeiten eröffnen sich?

Mir gefällt vor allem der integrative Ansatz. Sich nicht zwischen Instrument und Tanz oder bildnerischen Bereichen entscheiden zu müssen, mir gefiel die Ganzheitlichkeit. Ich wusste selbst bis 18 oder 19 Jahren nicht, dass es das Orff-Institut gibt. Als ich darauf stieß, war ich begeistert! Die Bewegung, der Tanz, die Bühne, Performance und die Musik natürlich – das alles integrierend machen zu können ist toll. Ich hatte auch das Gefühl, dass dies bei meinen Kolleg*innen wichtig war, obwohl sich alle ihre eigene Nische gesucht haben. Unlängst traf ich meine Studienkolleg*innen in Salzburg (lacht). Ich war sicher eine von denjenigen, die das Integrierende und Verbindende speziell gesucht hat. Die fächerübergreifenden Bereiche und interdisziplinären Projekte waren meine Leidenschaft. Das hat mich damals schon angesprochen und es ist genau das, was ich an meiner jetzigen Arbeitsstelle so schätze. Erst gestern hatten wir Projektpräsentationen am Kolleg mit irrsinnig kreativen Ideen. Wir gehen hinaus und arbeiten mit minderjährigen Flüchtlingen aber auch mit Senioren. Es ist eine große und schöne Bandbreite.

Welche Personengruppen unterrichten Sie?

Meine Studierenden sind angehende Pädagog*innen ab 18 Jahren. Wir haben aber auch ältere Studierende in berufsbegleitenden Kursen und ein Tageskolleg. Unser Kolleg bietet inzwischen zwei Ausbildungen an, nämlich die Elementarpädagogik und die Sozialpädagogik. In der Elementarpädagogik arbeiten die Absolventinnen in Kinderkrippen und Kindergärten. Die Absolventinnen der Sozialpädagogik arbeiten mit ihrer Ausbildung im breiten Spektrum der Sozialpädagogik, in Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen, mit Menschen mit Behinderung sowie in arbeitsunterstützenden Projekten.

Was bedeutet Kunst, Musik und Tanz für Sie?

Diese Bereiche haben für mich einen zentralen Stellenwert. Ich bin immer sehr traurig, wenn die musisch-kreativen Fächer als Randfächer oder gar verzichtbares Anhängsel abgetan werden. Das erlebe ich leider auch gerade in der Volkschule meiner Tochter. Im Musisch-Kreativen liegt diese

schöpferische Kraft, die wir für alle unsere Lebensbereiche brauchen. Ich merke immer wieder, wie sehr es fehlt, wenn jemand nicht diese integrierende Einsicht hat. Während Corona wurde das noch deutlicher. Ich sehe es als sehr großen Auftrag, die Sensitivität in den Unterricht zu holen. Durch die Digitalisierung ist der Bedarf noch größer. Wenn Menschen von vermeintlicher Medienkompetenz sprechen, so geht es meist nicht um den kompetenten Umgang mit Medien, sondern um den Konsum von Medien und hier sollte man eigentlich zum Musisch-Kreativen, zur Wahrnehmungsfähigkeit zurückkehren. Es geht um Fragen wie: Was passiert real und was in der digitalen Welt? Wann ist es besser den Bildschirm abzuschalten? Was macht mich als Mensch aus? Wie ist meine soziale Interaktionsfähigkeit, mein Ausdruck? Das Musische soll dem sinnenhaften Ausdrucksbedürfnis, das alle Menschen haben, gerecht werden. Hier geht es auch um Themen wie Resilienz, Stressbewältigung, Ausgeglichenheit und einen erfüllten Lebensalltag.

Mit welchen Herausforderungen sind (junge) Künstler*innen in Ihrem Berufsfeld konfrontiert?

Unser Bereich kämpft nach wie vor um Anerkennung, nicht zuletzt um finanzielle Anerkennung. Wir sind in Österreich ein Nischen-Programm und unsere Arbeit wird leider nicht gebührend entlohnt. Wir haben die gleiche Ausbildungsdauer wie andere Pädagog*innen zu absolvieren und doch werden wir nicht gleich bezahlt. Hier gibt es Ungleichheiten. In meiner persönlichen beruflichen Tätigkeit erfuhr ich sehr viel Wertschätzung und Dankbarkeit, allerdings schlägt sich diese nicht finanziell nieder. Hinzu kommt, dass wir nicht an allen Schulen, wie zu Beispiel Grundschulen, unterrichten dürfen. Dieses Problem gibt es aber auch bei anderen musikpädagogischen Ausbildungen.

Junge Musik- und Tanzpädagog*innen müssen sich auch damit auseinandersetzen, was „pädagogisch tätig zu sein“ bedeutet und in welchen Regelfeldern der Beruf auch funktioniert. Ein klassischer Bereich ist die Musikschule und da kommt es darauf an, in welchem Umfeld man landet. Es gibt sehr gute Musikschulen, die Wertschätzung entgegenbringen und auch gut bezahlen. Es gibt aber leider auch jene, die zwischen „Erstunterricht“ und „richtigen Musikunterricht“ unterscheiden und unseren Bereich weniger Wertschätzung entgegenbringen. Reiner Gruppenunterricht ist auch sehr anstrengend und auf Dauer schwer zu bewältigen. Es gibt jedenfalls ein breites Feld. In der Pädagog*innenbildung tätig zu sein, in meinem Fall im Sozial- und Elementarpädagog*innen-Bereich, ist eine große Chance und das erlebe ich als sehr spannend. Ich habe das Gefühl, etwas weitergeben zu können. Letzten Endes bilden wir Multiplikator*innen aus.

Wie haben Sie die Ausbildung am Orff-Institut erlebt?

Ich hatte das Glück, sehr viel mitnehmen zu können. Wichtig war für mich der Instrumentalunterricht, der Einzelunterricht und die Stimmbildung. Besonders wertvoll waren die Zusatzangebote am Instrument, im Tänzerischen aber auch Yoga und Feldenkrais. Eine besondere Rolle spielten wie bereits erwähnt die interdisziplinären Projekte für mich, das Fächerübergreifende. Es war oft ein Balanceakt zwischen vielen, frischen Inputs von außen und den Kerndisziplinen. Darüber hinaus war die soziale Komponente unserer Arbeit sehr wertvoll – gemeinsam etwas zu kreieren, zu erleben, wie die unterschiedlichen Fähigkeiten und Herangehensweisen der Mitwirkenden in einem kreativen Gestaltungsprozess ineinandergreifen können und in diesem Prozess Wege zu eröffnen, die man alleine nie entdeckt hätte. Die Erfahrung, sich in einem großen kreativen Handlungsspielraum ausprobieren zu dürfen, war wunderschön. Schließlich waren auch die sehr breit aufgestellten Praktikumsgruppen am Orff-Institut eine große Ressource.

Was möchten Sie jungen kreativen Menschen mit auf den Weg geben?

Ich sehe dieses Studium nach wie vor als großartige Möglichkeit und ich finde es toll, dass es dieses Berufsfeld gibt, dass es sich nach wie vor erweitern und etablieren darf. Für mich ist es ein großes Spielfeld, um die eigene Kreativität und Begeisterung zu leben. Nicht zuletzt die gemeinsame Arbeit mit anderen Menschen und der pädagogische Aspekt sind wunderschön. Ich kann mich an Aussagen meiner Studienkolleg*innen erinnern, die meinten, sie hätten jetzt keine Hobbys mehr, denn alle Hobbys wurden zum Beruf (lacht). Das ist ein großes Geschenk. Ein Studium und einen Beruf auszuüben, in denen man Dinge tun darf, die man gerne tut, ist ein Geschenk.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft neben der stärkeren Anerkennung ihres Fachs?

Eine größere Sichtbarkeit dieses vielfältigen Studiums in seiner gesamten Breite. Ich empfinde es als Glück, so leben zu dürfen und hoffe, dass das Studium auch weiterhin so bestehen bleibt.

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