Entstehung einer Schwingung bzw. Welle
Schwingungen von gespannten Saiten, von Zungen oder Schwingungen der Luft in Hohlräumen (z.B. bei Blasinstrumenten) weisen sogenannte Eigenfrequenzen auf, denn aufgrund der Ausbreitung eines Impulses (z.B. beim Anzupfen einer Saite) entsteht eine Wellenbewegung mit Reflexionen am festen oder freien Ende. Je nach Art der Reflexion und Phasenlage der reflektierten Welle treffen Wellenberg und Wellental aufeinander, überlagern einander, verstärken sich oder löschen sich aus. Bei ausreichender oder dauernder Erregung des Vorgangs (je nach Impulsgröße und -dauer bzw. Erregerfrequenz) interferieren die Wellenbewegungen und es entsteht ein stabile Schwingung mit Schwingungsbauch (= schwingende Teilchen in starker Bewegung) und Schwingungsknoten (= Teilchen in Ruhelage).
Bei höherer Erregerfrequenz (z.B. durch Resonanz oder durch stärkeres Anblasen) verdoppelt oder verdreifacht sich die Frequenz der Schwingung und es entstehen weitere Schwingungsbäuche und - knoten, die Wellenlänge halbiert oder drittelt sich, usw. (z.B. beim Erzeugen von Naturtönen af Blasinstrumenten). Bei Saiteninstrumenten kann man durch leichtes Andrücken der Saite mit dem Finger einen Schwingungsknoten und damit die doppelte Frequenz (Oktave) erzwingen ("Flagelolett"). Ein schwingender Körper kann aber immer nur in bestimmten Frequenzverhältnissen schwingen, die dem ganzzahligen Vielfachen der Grundschwingung entsprechen, also im Verhältnis 1 : 2 : 3 : 4 usw.
Versuch: Drücke eine Taste am Klavier (möglichst tiefer Ton, z.B. Kontra-C) stumm nieder, also ohne anzuschlagen (damit die Saite ungedämpft bleibt). Schlage nun fest und kurz den dazugehörigen Oktavton (hier das große C) an, dann übernimmt die tiefere Saite per Resonanz diese Schwingung mit der gleichen Frequenz; sie schwingt also doppelt so schnell wie es eigentlich möglich wäre. Dieser Versuch gelingt auch mit der 3-fachen (Quinte), vierfachen (Doppeloktave), 5- und 6-fachen Frequenz. Die ungedämpfte - tiefe - Saite kann auf diese Weise mehrere höhere Frequenzen gleichzeitig wiedergeben, sofern diese im ganzzahligen Verhältnis zu ihr stehen, also z.B. einen Durdreiklang (d.s. die Frequenzverhältnisse = 4 : 5 : 6). Dieser Versuch beweist auch, daß eine Saite mehrere Schwingungen gleichzeitig ausführen kann, die sich zu einer neuen Schwingungsform überlagern (sofern die Frequenzen dieser Schwingungen ganzzahlige Vielfache sind). Praktisch alle Schwingungen, die von Musikinstrumenten erzeugt werden, haben eine bestimmte, von der einfachen Sinusschwingung abweichende Schwingungsform, die sich aus mehreren Teilschwingungen (mit jeweils unterschiedlichen Amplituden) zusammensetzt und die charakteristische Klangfarbe ausmacht.
Die Umkehrung des Versuchs gelingt ebenfalls: man drückt die Oktave stumm nieder und schlägt dazu den Grundton an. Durch Resonanz beginnt auch die nicht angeschlagene Saite zu schwingen, - aber natürlich nicht mit der Frequenz der erregenden Saite, sondern mit der tiefstmöglichen Eigenfrequenz, also eine Oktave höher. Auch die nächsthöhere Quinte, Oktave usw. beginnen zu schwingen, wenn sie stumm niedergedrückt wurden. Mit Tönen, deren Frequenzen nicht zu den ganzzahligen Vielfachen gehören, funktionieren beide Versuche nicht. Drücke dazu z.B. ein Kontra-C stumm nieder und schlage ein großes Cis oder Gis (usw.) an.
Die Schwingungsform (von Tönen, Klängen, Geräuschen)
Die Sinusschwingung (als einfachste Schwingung das "Atom" der Akustik)
Die Stimmgabel schwingt vergleichsweise einfach, fast erzeugt sie einen reinen Ton, mathematisch beschreibbar durch die Sinusfunktion und daher auch Sinuston genannt, mit der Frequenz f = 440 Hertz (abgekürzt Hz, benannt nach dem Physiker Heinrich Hertz, 1857-1894).
Eine einfache Schwingung kann man mit einem schwingenden Pendel oder einem Gummiseil erzeugen und zeigen. Der reine, der Stimmgabel zugeschriebene Sinuston (siehe Abbildung) läßt sich strenggenommen nur mittels Sinusgenerator auf elektronischem Weg herstellen.
Sinuston der Frequenz 440 Hz, erzeugt von einem Sinusgenerator, eine mathematisch exakte Sinuskurve.
Trägt man den Verlauf einer sinusförmigen Schwingung über der Zeit auf, so erhält man einen typischen Verlauf, der eindeutig durch die Größen
Periodendauer T : zeitliche Dauer eines Schwingungsverlaufs
Amplitude A: Maximale Auslenkung der Schwingung
Phase j : Startpunkt der Schwingung, bzw. zeitliche Verschiebung zweier Schwingungsverläufe zueinander
beschrieben wird.
Aus Gründen der Handhabbarkeit wird statt der Periodendauer T die Frequenz f zur Beschreibung der Schwingungsanzahl pro Sekunde verwendet. Diese ergibt sich direkt aus dem Kehrwert der Periodendauer:
Frequenz f : f = 1/T : Schwingungsanzahl pro Sekunde. Die Einheit der Frequenz ist das Hertz [Hz]
Zur genaueren Beschreibung von Schwingungen nutzt man die Sinusfunktion, die aus dem Einheitskreis hergeleitet wird. Zunächst soll eine mathematische Beschreibung der einfachen, ungedämpften Schwingung, der sogenannten Sinusschwingung erfolgen..
siehe Abbildung:
Ableitung der Sinusfunktion aus dem Einheitskreis
Eine lineare Schwingung, die sich als Projektion einer gleichmäßigen Kreisbewegung darstellen läßt, ist eine harmonische Bewegung. Die harmonische Schwingung ist eine Sinusschwingung.
Die Kreisfrequenz ω (oder Winkelfrequenz) ist der Winkel, der pro Sekunde überstrichen wird, gemessen im Bogenmaß (Bogenlänge), angegeben in 1/s. (Frequenzen immer in Hertz angeben, Kreisfrequenzen immer in 1/s)
Die von der Stimmgabel abgegebene Druckschwingung beschreibt die Formel
Setzt man statt p (= Luftdruck)
in die Formel e für Elongation (= Auslenkung eines
schwingenden Körpers ein, z.B. einer Saite), dann erhält
man die entsprechende Formel (wie in der obigen Abbildung)
Die Obertöne / Fourier-Analyse
Aber schon der gleiche Kammerton, auf der leeren a-Saite einer Violine gestrichen, sieht wesentlich komplizierter aus. Grundfrequenz, Wellenlänge und Periodizität sind unverändert, aber die Schwingung selbst entspricht nicht mehr dem schlichten Abbild eines Sinuston.
Kurve der leer gestrichenen a-Saite einer Violine, gestimmt auf Kammerton 440 Hz.
Tatsächlich strahlt die
Violine
einen Klang (im physikalischen Sinne) ab.
Der französische Mathematiker und Ingenieur Jean Baptiste Fourier (1768 bis 1830) konnte nachweisen, daß jeder Klang, sofern er nur periodisch ist, sich in eine endliche Reihe von reinen Sinustönen zerlegen.
Der tiefste im Klang vertretene Ton, im allgemeinen der Grundton, zeichnet verantwortlich für die Tonhöhe. Er erhält die Bezeichnung Partialton erster Ordnung. Die Frequenzen der Partialtöne höherer Ordnung, auch Obertöne genannt, sind ganze Vielfache der Frequenz des Grundtons. Ihre Amplituden p0 nehmen mit wachsender Ordnung ab, bis sie schließlich ganz verschwinden.
Dabei ist es nicht so, daß
die Frequenzen der Obertöne lückenlos die Reihe der
natürlichen Zahlen durchlaufen, also wenn der Grundton die
Frequenz f hat, 2f, 3f, 4f, . . . nf. In manchen Klängen
überwiegen die geradzahligen Vielfachen des Grundtons (z.B.
Oboe), in anderen die ungeradzahligen (z.B. Klarinette im
unteren Register).
Additive Klangsynthese
Wenn sich jede Schwingungsform nach
Fourier in Sinusschwingungen zerlegen läßt, dann gilt auch
der umgekehrte Vorgang: man kan theoretisch jede beliebige
Schwingungsform durch Addition von Sinusschwingungen erzeugen, z.B.
auf elektronischem Wege mit Hilfe von Sinusgeneratoren. Man spricht von
der Additiven Klangsynthese. Auch durch das
Zusammenschalten mehrerer Orgelpfeifen über
Registerkombinationen werden neue Klangfarben gewonnen. Werden
dagegen Bereiche aus dem Klangsprektrum einer obertonreichen
Schwingungsform durch den Einsatz von Filtern unterdückt, also
weggefiltert, dann spricht man von der Subtraktiven
Klangsynthese.
Umkehrung der Fourier-Analyse: Aufbau eines Klanges aus drei Sinustönen, aus denen er sich hier zusammensetzt, oben der Grundton mit der Frequenz f, dann zwei Obertöne mit den Frequenzen 2f und 3f.
Bei allen Instrumenten tritt in ganz bestimmten Frequenzbereichen, den sog. Formanten, eine Verstärkung der Obertöne (etwa durch Resonanzen) auf. Die Obertonverteilung und die Formanten bestimmen überwiegend den Klangcharakter und die Klangfarbe der verschiedenen Instrumente. Die Vokale beim Sprechen und Singen beruhen ebenfalls auf Formanten.
Die
Formanten, Anhäufungen von Obertönen in bestimmten
Frequenzbereichen. Oben die Formanten der Vokale, darunter die
Formantlage von Doppelrohrblatt-Instrumenten
Spektren, akustische "Steckbriefe" der instrumentalen Klangfarben
Das Ergebnis einer Frequenzanalyse läßt sich leicht darstellen. In einem Koordinatensystem mit der Frequenz in Hz auf der x-Achse und Lautstärke der Obertöne auf der y-Achse erscheint jeder Oberton eines Klangs als Linie. Auf diese Weise sind Klänge durch Linienspektren gekennzeichnet. Bei der Flöte ist zum Beispiel der Grundton d1 (288 Hz) am stärksten vertreten, am zweitstärksten die Oktave 576 Hz, gefolgt von ganzen vier schwächeren Obertönen.
Ganz allgemein gilt: Je weniger Obertöne das Linienspektrum eines Instruments aufweist, desto weicher wirkt sein Klang.
Die Kenntnis dieser Zusammenhänge
hilft bei der Beurteilung von Lautsprecherboxen. Zeigt eine Box
beispielsweise eine Anhebung im Frequenzbereich der Umlaute (l,2
bis l,8kHz), klingt sie näselnd verfärbt. Boxen dürften aber keine
Frequenzbereiche anheben oder absenken, da sie den Klang möglichst
neutral wiedergeben sollten, obwohl dieses Ziel auch mit den besten
Lautsprecherboxen leider nicht ganz erreicht wird.
Linienspektren einer Flöte, einer Klarinette, einer Oboe, einer Trompete und der G-Saite einer Violine.
Als prägnantes Gegenstück dazu erweist sich das Linienspektrum der Trompete: sehr viele Obertöne, darunter zahlreiche, die stärker sind als der Grundton. Deshalb ist der Trompetenklang strahlend brillant. Sehr markant sind auch die Unterschiede zwischen den Spektren der Oboe und der Klarinette. Bei tiefen Tönen des Violoncellos und des Kontrabasses fehlt der Grundton ganz. Der Korpus dieser Instrumente ist im Verhältnis zur Wellenlänge der tiefen Frequenzen zu klein, so daß er sie durch Resonanz nicht verstärken kann.
Dennoch ordnet das Ohr dem Klang die
Tonhöhe zu, die dem fehlenden Grundton entsprechen würde.
Diesen 1938 von dem Holländer J.F.
Schouten erstmals erklärten Effekt,
der
sich als aus der Hörerfahrung heraus
entwickeltes Empfindungsmerkmal höherer Ordnung erklären
läßt, bezeichnet die Psychoakustik als Residuum
(lat. für Rest).
Der Residualton entspricht der Frequenz des Grundtons
eines periodischen Klangs entspricht,
obwohl der Grundton physikalisch gar nicht vorhanden ist (bzw. in einer
Fourier-Analyse nicht nachgewiesen werden kann).
Das Gehör ist in der Lage
aus den restlichen Teiltönen eines periodischen Klangs den Grundton zu
empfinden, da sich die Frequenzverhältnisse aller beziehen auf die
Grundperiode einer Schwingung beziehen. (Bei genauerer Betrachtung des
Phänomens sind die Bedingungen für die Entsheung des Residualtons
allerdings noch komplizierter. Die Empfindung hängt u.a. von der
Tonhöhe, von der Zahl und Ordnungszahl der Teiltöne, ihrer Amplitude
ab.)
Eine optische Parallele solcher Residualwahrnehmung veranschaulicht folgende Darstellung:
Das
charakteristische Einschwingen der Klänge, Lautstärke der Teiltöne
Bei allen Musikinstrumenten löst Blasen, Zupfen, Schlagen oder Streichen den Klang aus, das heißt irgendeine Form der mechanischen Anregung, die Materie zum Schwingen bringt. Vom Zeitpunkt des Anspielens bis zum voll entwickelten quasistationären Klang gibt es eine von Instrument zu Instrument eine unterschiedliche kurze Zeitspanne der Instabilität. Die Obertöne treten nicht alle gleichzeitig in Erscheinung, sondern in einer bestimmten Reihenfolge: Während des Toneinsatzes schwingt der Klang ein.
Bei der Trompete
entwickelt sich der dritte Oberton innerhalb von 40
Millisekunden (ms), der Grundton erreicht erst nach 115 ms den
stabilen Zustand. Bei der Violine schwingt die Oktave am schnellsten
ein, während der Grundton über 90 ms benötigt,
bis er voll ausgebildet ist. Dieses Einschwingverhalten ist ein
weiteres bestimmendes Element für die Klangfarbe und den
Klangcharakter eines Instruments. Auf Band aufgezeichnete
Dauertöne einer Oboe und einer Flöte sind bei
abgeschnittenen Toneinsätzen schwerer voneinander zu
unterscheiden.
Bild:
Einschwingen
von Grund und Obertönen einer Trompete bei einem Grundton von 340 Hz
Der
von einem Musikinstrument erzeugte Ton (physikalisch gesehen ein Klang
mit verschiedenen Teiltönen) läßt sich zeitlich in drei Abschnitte
unterteilen:
- den Einschwingvorgang, den stationären Zustand und den Ausschwingvorgang.
In
der Einschwingphase wird der schwingende Teil des Musikinstruments
angeregt, bis er seinen stationären Zustand erreicht hat, in dem sich
der Ton nicht mehr (wesentlich) ändert. Dieser Zustand wird so lange
aufrechterhalten, bis keine Energie mehr an das schwingende System
abgegeben wird und der Ton im Ausschwingvorgang abklingt. Der
stationäre Zustand wird jedoch nur von Instrumenten erreicht, die eine
gleichmäßige Energiezufuhr gewährleisten, ein Beispiel dafür ist die
Orgel. Bei der Tonerzeugung durch die Energie des Spielers spricht man
von einem "quasi stationären Zustand", da hier Schwankungen in der
Energiezufuhr unvermeidbar sind. Erhält ein System nur einen Impuls
(zum Beispiel das Anschlagen einer Saite), so existieren nur der Ein-
und der Ausschwingvorgang.
Neben der unterschiedlichen Intensität der Harmonischen ist der
Einschwingvorgang maßgeblich an der Charakteristik eines Klanges
beteiligt. Der Ausschwingvorgang ist vor allem bei Tönen von Zupf- und
Schlaginstrumenten von Bedeutung, da hier der stationäre Zustand fehlt.
Im
folgenden Bild ist der zeitliche Amplitudenverlauf (Hüllkurve) für
jeden einzelnen Teilton (der ersten Teiltöne eines Klangspektrums)
beispielhaft eingezeichnet.
Bild:
dreidimensionale Darstellung des Hüllkurvenverlaufs der ersten 5
Teiltöne eines Klangs
Das folgende Bild
zeigt vergleichend das Einschwingverhalten von Klarinette,
Saxophon und Trompete (beachte die kaum ausgepärgten geradzahligen
Teiltöne der Klarinette):